Neulich in Halle. Es steigt ein äusserlich völlig normale Grillparty im Hinterhof eines Altbaus am Rande des Universitätsviertels. Mario Müller, der Veranstalter der Party, stellt sich vor: «Ich arbeite in diesem Haus als Streetworker von rechts – wenn man so will. Ich bin dafür verantwortlich, dieses Haus mit Veranstaltungen zu bespielen.»
Es ist keine ganz normale Grillparty hier in Halle. Das Haus gehört der sogenannten Identitären Bewegung. Ein unbekannter Spender hat es gekauft und der Bewegung vermietet. Hier sollen Seminare stattfinden und hier wohnen auch Mitglieder der Bewegung. Es sei das erste solche Haus in Deutschland, heisst es. Die Bewegung ist zurzeit in aller Munde, denn sie versucht, im Mittelmeer Flüchtlinge aufzuhalten.
Verharmlosende Selbstbeschreibung
Vor einigen Wochen versuchte sie zudem, die Auquarius – ein Schiff der Hilfsorganisation SOS Mediterrane – beim Auslaufen aus Catania aufzuhalten. Müller war dabei. «Die letzte spektakuläre Aktion, an der ich persönlich beteiligt war, war die Kampagne Defend Europe, bei der wir im Mittelmeer versucht haben, gegen den organisierten Schlepperhandel durch sogenannte humanitäre NGOs vorzugehen», sagt er. Die Hafenbehörde unterband den Versuch damals rasch.
Bei uns geht es darum, die Mentalitäten, Werte und Ideen der Jugend zu beeinflussen.
Wer sind die Identitären? Müllers Antwort: «Wir sind eine ausserparlamentarische Jugendbewegung. Bei uns geht es darum, die Mentalitäten, Werte und Ideen der Jugend zu beeinflussen. Weg von einer Kultur des Selbsthasses, die derzeit vorherrscht, hin zu einer Kultur der Identität und der Tradition.»
Müllers Beschreibung ist verharmlosend. Mit dem «Weg von der Kultur des Selbsthasses» ist die Relativierung des Holocaust gemeint. Identität und Wissen woher man kommt, bedeutet die Ablehnung von anderen Religionen und Ethnien.
Bewegung, nicht Partei
Konkret fordert Müller: «Ich glaube, dass diejenigen, die wir nicht integrieren können, in ihre Heimat zurückkehren sollten.» Damit meint er auch Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund in der dritten Generation, die einen Pass oder eine Aufenthaltsbewilligung haben und nicht straffällig sind.
Müller: «Das zeigt sich auch bei den Türken, die beispielsweise bereits in der dritten Generation in Deutschland leben und dann trotzdem mit hundert oder zumindest fünfzigtausend Menschen zu den Pro-Erdogan-Demonstrationen gehen. Sie können sich immer noch nicht mit diesem Land identifizieren.»
Nach welchen rechtsstaatlichen Kriterien das geschehen soll, kümmert Mario Müller nicht. Die Identitären sind keine Partei, sie wollen den Boden für ein rechtes bis rassistisches Gedankengut bereiten. Viele erhalten ihre ideologische Schulung im Institut für Staatspolitik in Schnellroda beim rechten Vordenker Götz Kubitschek, 30 Kilometer von Halle entfernt.
Wir haben uns das ein bisschen von Greenpeace und anderen Bewegungen abgeschaut.
Inspiration bei Greenpeace
An einem solchen Seminar im Schnellroda sagte Björn Höcke, AfD-Fraktionschef im Thüringer Landtag, 2015 zum Thema Flüchtlinge: «Die Evolution hat Afrika und Europa – vereinfacht gesagt – zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert. Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitertyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp. Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern.»
Mit spektakulären Aktionen wie sie die die Linken oder Greenpeace erfunden haben, wollen die Identitären auf sich aufmerksam machen. Der Vordenker der Identitären, der 28-jährige Österreicher Martin Sellner, der derzeit auch auf der C-Star im Mittelmeer ist, sagte vor einigen Monaten gegenüber SRF: «Wir haben uns das ein bisschen von Greenpeace und anderen Bewegungen abgeschaut. Es geht darum, mit Provokation genau am richtigen Punkt anzusetzen – gleich wie mit einer Akupunkturnadel. Im Endeffekt wollen wir Reaktionen beim Gegenüber auslösen.»
Bedrohung für den Rechtsstaat
Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz sieht die Identitären als Bedrohung für den demokratischen Rechtsstaat. Präsident Hans-Georg Massen sagt: «Wir beobachten die Identitäre Bewegung und betrachten sie als eine extremistische Organisation.»
Die Identitären: Was harmlos klingt und sich verharmlosend äussert, muss nicht harmlos sein.