Wieso kam es zum Sturm auf das Kapitol? Kurz nach Mittag (Ortszeit) tagte der US-Kongress im Kapitol in Washington, um den Sieg von Joe Biden bei der Präsidentenwahl zu bestätigen. Trump hielt auf einer Bühne unweit des Weissen Hauses eine Rede. Er forderte seine Anhänger dazu auf, vor das Kapitol zu ziehen. «Wir werden nicht zulassen, dass sie Eure Stimmen zum Schweigen bringen», rief Trump.
Danach eskalierte der von Trump seit Wochen angeheizte Konflikt um das Wahlergebnis vom 3. November vollends. Wütende Anhänger Trumps begnügten sich nicht mit friedlichem Protest vor dem Gebäude. Zuerst kam es zu Zusammenstössen mit der Kapitol-Polizei. Hunderte Demonstranten überwanden Barrikaden und machten sich zugleich auf den Stufen und rund um das Parlament breit und entrollten Flaggen. Dann schlugen die Trump-Anhänger Fenster ein und verschafften sich so Zugang zum historischen Bau. Das Kapitol – eines der am besten gesicherten Gebäude der Welt – war im Nu erobert. Die wenigen Sicherheitskräfte waren machtlos.
Was geschah im Gebäude? Die Sitzung der Senatoren und Abgeordneten musste abrupt unterbrochen werden. Im Saal zückten Secret-Service-Agenten ihre Waffen und versuchten die Trump-Anhänger zurück zu drängen. Bilder zeigen, wie Politikerinnen und Politiker verängstigt in Deckung gingen. Mit Hilfe der Kapitol-Polizei wurden die gewählten Volksvertreter in Sicherheit gebracht. Zum Schutz vor Tränengas trugen viele Politikerinnen und Politiker eine Gasmaske. Ein Trump-Anhänger sagte, man habe das Kapitol gestürmt, «um die Verräter zu hängen». Ein anderer Trump-Anhänger schaffte es bis auf das Podium des Senats und schrie: «Trump hat die Wahl gewonnen.»
Wann war die Lage unter Kontrolle? Erst nach drei Stunden, um 18 Uhr (Ortszeit), war das Kapitol wieder gesichert. Die Sicherheitskräfte schafften es, die Trump-Fans aus dem Kongress zu drängen. 82 Personen wurden verhaftet. Die Bürgermeisterin der Hauptstadt, Muriel Bowser, verhängte wegen der Gewalt eine nächtliche Ausgangssperre ab 18 Uhr und forderte Polizeikräfte aus umliegenden Bundesstaaten zur Verstärkung an. Die Nationalgarde wurde mobilisiert.
Wer sind die Todesopfer? Nach der gewaltsamen Erstürmung wurde eine Frau angeschossen – sie starb wenig später, wie der Chef der Polizei in der US-Hauptstadt, Robert Contee, in der Nacht zu Donnerstag sagte. «Darüber hinaus wurden heute drei weitere Todesfälle aus der Umgebung des Kapitols gemeldet. Eine erwachsene Frau und zwei erwachsene Männer scheinen an unterschiedlichen medizinischen Notfällen gelitten zu haben, die zu ihrem Tod führten.» Der Polizeichef machte keine Angaben dazu, wer die Frau war, die im Kapitol angeschossen wurde. Der Vorfall werde intern von der Polizei untersucht. Unklar blieb auch, um welche medizinischen Notfälle es sich handelte.
Wie reagiert Trump auf die Vorkommnisse? Der amtierende US-Präsident lässt Verständnis für den gewaltsamen Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol erkennen. Er schrieb auf Twitter: «Das sind Dinge und Ereignisse, die passieren.» Später am Nachmittag wandte er sich in einer Videobotschaft an seine Unterstützer: «Ich weiss, wie Ihr Euch fühlt, aber geht nach Hause.» Dann lobte er die Demonstranten: «Wir lieben Euch, Ihr seid sehr besonders.» Später wurde sein Twitter-Account für 12 Stunden gesperrt. Anschliessend reagierte auch Facebook und kündigte an, Postings über das Nutzerkonto von Präsident Donald Trump für 24 Stunden zu sperren.
Wie reagiert Biden? Der gewählte Präsident wandte sich in einer Ansprache an seine Landsleute und betont, «das Kapitol zu stürmen» sei kein Protest. Er sprach von einem «beispiellosen Angriff» auf die Demokratie.
Auch bei den Abgeordneten und Senatoren sorgt der Sturm auf den Kongress parteiübergreifend für Empörung und Fassungslosigkeit. Der republikanische Abgeordnete Adam Kinziger schrieb auf Twitter: «Das ist ein Putschversuch.» Seine demokratische Kollegin Katherine Clark meinte: «Das ist ein Angriff auf Amerika.»
Was sagen die Republikaner? Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sagte, die Kammer lasse sich nicht einschüchtern und werde sich nicht Gesetzlosen beugen. Der enge Trump-Vertraute Ted Cruz führt die Gruppe der Senatoren an, die die Wahlergebnisse nicht anerkennen wollen. Auch er schrieb: «Diejenigen, die das Kapitol stürmen, müssen jetzt aufhören.» Wer Gewalt ausübe, schade der Sache. Senator Lindsey Graham, der normalerweise eisern an Trumps Seite steht, meinte: «Das ist eine nationale Peinlichkeit.»
Kongress bestätigt Wahlergebnis: Am Abend (Ortszeit) konnten die Kongressabgeordneten in den Sitzungssaal zurückkehren. Der Kongress bestätigte die Wahl Bidens zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten offiziell. Vizepräsident Mike Pence erklärte als Leiter des Prozederes das Wahlergebnis für vom Kongress bestätigt. Joe Biden kam auf die erwarteten 306 Stimmen, Amtsinhaber Trump auf 232 Stimmen. Die Vereidigung des neuen Präsidenten folgt am 20. Januar. In einem ersten Statement erklärte Trump, dass er mit dem Ergebnis nicht einverstanden sei, aber eine ordentliche Amtsübergabe garantiere.