Israel liefert eine Rekordmenge von 50 Millionen Kubikmeter Wasser an sein Nachbarland Jordanien. Das haben die beiden Länder letzte Woche ausgehandelt, obwohl in deren Beziehungen die letzten Jahre Stillstand herrschte. Das Abkommen und der Regierungswechsel in Israel seien eine Chance, sagt Edmund Ratka von der Konrad-Adenauer-Stiftung.
SRF News: Stehen wir mit dieser Wasserlieferung am Anfang einer neuen Annäherung der beiden Länder Israel und Jordanien?
Ermund Radtka: Sie kann jedenfalls ein erster Schritt sein. Die Beziehungen sind auf einem historischen Tiefpunkt gewesen die letzten Jahre, was vor allem an Benjamin Netanjahu und seiner kompromisslosen Politik gegenüber den Palästinensern lag. Mit dem Regierungswechsel in Israel, aber auch in Washington – Trump hat ja die Politik von Netanjahu unterstützt – gibt es nun die Hoffnung auf eine Verbesserung. Und das Abkommen von letzter Woche ist ein Signal.
Wie wichtig ist diese Wasserlieferung für Jordanien?
Diese Lieferung ist extrem wichtig. Jordanien ist eines der wasserärmsten Länder der Welt. Der wichtigste Staudamm des Landes ist nur zu 50 Prozent gefüllt und Jordanien bekommt jedes Jahr Wasser von Israel. Das ist Teil des Friedensvertrages von 1994. Diese Menge kann aber – das ist auch Teil dieses Abkommens – erhöht werden. Und letzte Woche wurde nun diese Rekordmenge an Wasser zu einem Vorzugspreis vereinbart. Das ist die günstigste Möglichkeit für Jordanien, Wasser zu kaufen. Damit wird Jordanien durch diesen heissen Sommer kommen.
Was verspricht sich Israel von dieser Vereinbarung?
Für Israel ist Jordanien strategisch wichtig, da es ein Pufferstaat ist. Jordanien hat enge Beziehungen zu den Palästinensern im Westjordanland. Und Israel braucht Jordanien als moderaten Vermittler. Mit diesem Abkommen macht die neue israelische Regierung einen Beitrag zur Stabilisierung Jordaniens, das die letzten Monate einige Unruhen erlebt hat. Es gab eine vereitelte Palastrevolte und die Wirtschaft ist coronageschädigt. Mit diesem Abkommen gibt es eine Entlastung für die jordanische Wirtschaft und Gesellschaft.
Israel braucht Jordanien als moderaten Vermittler.
Das war ein wichtiges Signal, das die Israelis senden wollten: Dass nach der schwierigen Ära Netanjahu nun ein neues Kapitel aufgeschlagen werden kann in den israelisch-jordanischen Beziehungen.
Israel hat in der jordanischen Bevölkerung einen schlechten Ruf. Ist diese Vereinbarung auch ein politisches Risiko für Jordanien?
Für die jordanische Regierung ist es ein Balanceakt. Der Friede ist ein kalter Friede geblieben. Die Israelis sind extrem unbeliebt in Jordanien. Es gibt eine Anti-Normalisierungsbewegung, die sagt, am liebsten wollen wir überhaupt nichts mit Israel zu tun haben. Aber in dieser Wasserfrage sind auch die Jordanier pragmatisch genug. Es gibt kaum andere Möglichkeiten, um den extremen Wasserbedarf zu decken. Mehr als ein Drittel des Wasserbedarfs des Landes kommt aus Israel.
Die Ressentiments gegen Israel sind vor allem aufgrund der israelischen Besatzungspolitik extrem gross.
Man muss aber sagen, dieses Abkommen wurde in der jordanischen Öffentlichkeit kaum diskutiert und auch in der Politik kaum kommentiert. Das heisst, man wollte aufseiten der Regierung keine grosse öffentliche Diskussion darüber, weil man weiss, dass die Ressentiments gegen Israel vor allem aufgrund der israelischen Besatzungspolitik extrem gross sind.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.