Der nordirische Regierungschef Paul Givan hat aus Protest gegen vereinbarte Brexit-Regeln für Nordirland seinen Rücktritt angekündigt.
Zuvor hatte sich der Streit um das sogenannte Nordirland-Protokoll, das die britische Regierung im Zuge des Brexits mit der EU ausgehandelt hatte, zugespitzt.
Der nordirische Agrarminister Edwin Poots von der DUP kündigte im Alleingang an, die mit der EU vereinbarten Zollkontrollen auf britische Importe zu stoppen.
«Heute geht zu Ende, was das Privileg meines Lebens war – als Erster Minister Nordirlands zu dienen», sagte Givan von der protestantisch-unionistischen Partei DUP am Donnerstagabend zu Reportern. Oft habe er die Bürde gespürt, die mit diesem Amt einhergehe, sagte der Politiker.
Der Rücktritt ist eine direkte Folge des Streits um das sogenannte Nordirland-Protokoll, das die britische Regierung im Zuge des Brexits mit der EU ausgehandelt hatte. Der nordirische Agrarminister Edwin Poots von der DUP kündigte am Mittwochabend im Alleingang an, die mit der EU vereinbarten Zollkontrollen auf britische Importe zu stoppen. Die britische Regierung stellte sich hinter diesen Schritt.
Die Koalitionspartei Sinn Fein und das benachbarte Irland kritisierten die Ankündigung hingegen scharf als gesetzeswidrig. Ebenso die EU.
Korrespondent Wülser: «Nordirland-Protokoll als Glaubensfrage»
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SRF-Korrespondent Patrik Wülser bezeichnet den Rücktritt des nordirischen Regierungschefs als «Kollateralschaden des Brexits». So gab der scheidende Paul Givan an, er und seine Partei könnten nicht länger akzeptieren, dass Nordirland durch eine Grenze vom Mutterland Grossbritannien getrennt sei. «Mit Givans Rücktritt kollabiert nun auch die ganze Regierung.» Das weckt böse Erinnerungen: Denn beim letzten Kollaps der nordirischen Regierung, der gemäss dem Karfreitagsabkommen alle politischen Kräfte angehören müssen, dauerte es drei Jahre, bis wieder eine funktionsfähige Regierung stand.
Der Zeitpunkt von Givans Rücktritt sei wohl nicht ganz zufällig, sagt Wülser. London und Brüssel verhandeln seit Wochen über eine Anpassung des Nordirland-Protokolls. Den Unionisten geht das zu wenig schnell und zu wenig entschlossen voran. «Aus dem Protokoll ist in Nordirland längst eine ideologische Glaubensfrage geworden.» Kompromissloses Auftreten in der Frage ist also durchaus populär – und in drei Monaten finden in Nordirland Wahlen stand. «Die irisch-republikanischen Nationalisten von Sinn Fein bezeichnen den Rücktritt denn auch als billige und verantwortungslose Wahlkampagne», schliesst Wülser.
Damit kann die sorgfältig austarierte Einheitsregierung zwischen der protestantisch geprägten DUP, die für die Union mit Grossbritannien eintritt, und der katholisch-republikanischen Partei Sinn Fein, die eine Wiedervereinigung mit Irland anstrebt, nicht in ihrer bisherigen Form weiter bestehen. Die gleichberechtigte Vizeregierungschefin von Sinn Fein, Michelle O'Neill, müsste ebenfalls ihr Amt niederlegen.
EU-Kommission ist «not amused»
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Das Vorgehen Nordirlands sorgt bei der EU-Kommission für Empörung. «Das ist ein klarer Bruch von internationalem Recht», sagte die irische EU-Kommissarin Mairead McGuinness dem irischen Sender RTÉ.
«Diese Ankündigung hat für Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit und keinesfalls für Stabilität gesorgt, deshalb verstehe ich den Sinn dieses Schritts nicht», sagte McGuinness. «Diese Nachricht zu einem Zeitpunkt, wenn wir auf unserer Seite alle möglichen Anstrengungen unternehmen, ist überhaupt nicht hilfreich», sagte sie weiter. «Wir arbeiten unermüdlich daran, mit dem Vereinigten Königreich gemeinsam Lösungen für konkrete Probleme zu finden und haben schon sehr konkrete Details vorgelegt.»
Regierungschef Givan war erst im Juni nach einem heftigen Machtkampf innerhalb der DUP ins Amt gelangt. Parteichef Jeffrey Donaldson droht seit Monaten damit, seine Minister aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll aus der Einheitsregierung abzuziehen.
Um was es beim Nordirland-Protokoll geht
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Das Nordirland-Protokoll sieht vor, dass die britische Provinz weiterhin den Regeln des EU-Binnenmarkts und der Zollunion folgt. Damit wird eine harte Grenze zu Irland vermieden, durch die es zu neuen Spannungen im früheren Bürgerkriegsgebiet käme. Allerdings ist dadurch eine innerbritische Zollgrenze entstanden. Die britische Regierung, die das Protokoll selbst ausgehandelt hatte, sowie die DUP wollen die Regelung deshalb über den Haufen werfen.
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