Seit gut einer Woche strapaziert Premierminister Boris Johnson die Geduld der Britinnen und Briten und setzt dabei neue Massstäbe in Sachen Logik.
Die Frage, welche die Nation umtreibt, ist so kurz wie einfach: Feierten mehrere Dutzend Regierungsangestellte in Downing Street eine Party, während London im Lockdown steckte? Zu einer Zeit, als Britinnen und Briten ihre Angehörigen im Spital nicht besuchen durften, selbst wenn diese im Sterben lagen?
Party? Nicht bei uns
Er habe keine Ahnung, was in Downing Street damals genau über die Bühne ging, aber es habe sicher nicht gegen die Regeln verstossen, erklärte Boris Johnson gestern im Parlament. Er habe sich erkundigt, niemand wisse etwas von einer Party.
Trotzdem musste gestern eine Regierungssprecherin unter Tränen ihren Rücktritt bekannt geben. Für etwas, das angeblich nie passiert war. Doch bevor der verdutzte Bürger richtig verstanden hatte, welches Drama nun wieder aufgeführt wurde, wurde die Logik gleich ein weiteres Mal strapaziert.
Der Premierminister erklärte abends, dass Plan B in Kraft trete. Wegen der neuen Covid-Variante sollen Britinnen und Briten ab nächstem Montag mit ihrem Laptop wieder zu Hause zwischen Frühstücksgeschirr und den Hausaufgaben ihrer Kinder arbeiten. Gleichzeitig ermahnte der Premierminister die Briten, Betriebsfeste und Weihnachtsparty nicht ausfallen zu lassen.
«Gehen Sie nicht ins Büro, aber auf jeden Fall zur Party», lautete die verwirrende Botschaft, die wohl von der Gastro-Industrie formuliert wurde. Viele Leute zweifeln mittlerweile an der Kompetenz und Seriosität der Regierung ihrer Majestät. Einige Parlamentarier vermuten, die neue Covid-Massnahmen seien schlicht ein Täuschungsmanöver, damit die unselige Weihnachts-Party-Affäre endlich vergessen geht.
Das Vertrauen zu Johnson schwindet
Doch für einmal könnte das Vergessen länger dauern. Weil immer noch nicht klar ist, was genau vor einem Jahr mitten im Lockdown hinter der schwarz-polierten Türe von Downing Street 10 passierte. Weil es nun eine offizielle Untersuchung zu den Geschehnissen geben wird und sich die Opposition in diesen Fall verbeissen wird, um herauszufinden, ob Boris Johnson einmal mehr gelogen hat.
Selbst konservative Parlamentarier verlieren langsam aber sicher die Geduld. Mittlerweile ist es ziemlich egal, wer im Foyer des Regierungssitzes Wein getrunken und unpassende Witze erzählt hat.
Nicht egal hingegen ist vielen Konservativen, dass Premierminister Johnsons wichtigstes Kapital immer mehr schrumpft: seine moralische Autorität und das Vertrauen der Britinnen und Briten. Und dies bedeutet früher oder später das Ende der Party.