Es war ein Paukenschlag, als Timur Iwanow verhaftet wurde. Der stellvertretende Verteidigungsminister war etwa für den Wiederaufbau der besetzten ukrainischen Stadt Mariupol zuständig, und er galt als Protegé des Verteidigungsministers Sergei Schoigu. Nun wirft die Staatsanwaltschaft Iwanow Korruption vor. Er sitzt seit April in Untersuchungshaft.
Korruption wird im Putinschen System weitgehend geduldet. Die aussergewöhnliche Verhaftung von Timur Iwanow zeugte vor allem davon, dass die Macht seines Beschützers Schoigu bröckelte. Weitere Vertraute wurden verhaftet. Schoigu selbst wurde degradiert.
Heftiger Angriff auf Sergei Schoigu
Es hat ein heftiger Angriff auf Schoigu stattgefunden, sagt Andrej Perzew. Der Journalist beobachtet die Kreml-Elite seit Jahren genau. Schoigus Widersacher hätten die Tatsache ausgenutzt, dass Russlands Armee in der Ukraine strauchelte und die Versorgung mit Ausrüstung und Waffen schleppend lief.
Der Angriff sei einerseits vom Chef der Nationalgarde, Wiktor Solotow, und andererseits von Sergei Tschemesow, dem Leiter des staatlichen Rüstungskonzerns Rostec gekommen. Zuerst haben Leute aus dem Umfeld von Solotow Schoigu öffentlich kritisiert, sagt Perzew. Schoigu habe versucht, die Schuld für die Versorgungsengpässe auf Rostec abzuschieben und sich damit Tschemesow zum Feind gemacht. Dieser musste Schoigu loswerden, weil ihn dieser vor Putin hat schlecht aussehen lassen, so Perzew. Solotow seinerseits habe zum Ziel gehabt, seinen Einfluss auszuweiten.
Putin spielt Schiedsrichter
Putin hat am Ende entschieden, dass es im Verteidigungsministerium so nicht weitergehen könne. Das Kalkül zumindest von Nationalgarde-Chef Solotow ist aber nicht aufgegangen. Putin hat nicht einen seiner Männer als Schoigus Nachfolger nominiert, sondern den Ökonomen Andrej Beloussow, einen nüchternen Loyalisten, dem er vertraut und der im Verteidigungsministerium aufräumen soll. Und Schoigu wurde nicht komplett geschasst, sondern in das weniger einflussreiche, aber prestigeträchtige Amt des Vorsitzenden des Sicherheitsrats abgeschoben.
Seit Jahrzehnten spielt Putin die Rolle des Schiedsrichters bei den Konflikten der Elite. Diese sind Teil des Systems und sollen eine Art gesunden Wettbewerb erzeugen. Dass Putin, Schoigu abstraft, aber trotzdem verhindert, dass der Einfluss von Schiogus Widersachern steigt, habe auch mit Selbstschutz zu tun, so Perzew.
Konkurrenzkampf im Kreml wird heftiger
Die Kreml-Elite müsse man wie eine mafiöse Struktur mit konkurrierenden Clans und Seilschaften verstehen, sagt er. Schoigu selbst müsse als Mitglied des engsten Kreises der Elite nichts Schlimmeres befürchten, als seinen Job zu verlieren. Putin gebe gleichzeitig Schoigus Angreifern zu verstehen, dass er nun einen Schlussstrich gezogen habe. Putin versteht, dass es auch ihn treffen könnte, sollten diese Konflikte ausser Kontrolle geraten, sagt Perzew.
Mit dem Krieg konzentrieren sich Macht und Geld nun im militärischen Sektor. Der Konkurrenzkampf wird heftiger. Der Aufstand von Wagner-Chef Prigoschin und die Affäre im Verteidigungsministerium haben das gezeigt. Dieser dürfte nicht der letzte Konflikt sein, den Wladimir Putin unter seinen Gefolgsleuten lösen muss.