Der Flüchtlingsandrang in der Ägäis nimmt immer grössere Dimensionen an. Auf der griechischen Insel Lesbos harren seit Tagen mehr als 15'000 Flüchtlinge aus. Und jeden Tag kommen Hunderte von Neuankömmlingen aus der Türkei hinzu.
Nach vorläufigen Daten der EU-Grenzschutzagentur Frontex trafen allein in der vergangenen Woche mehr als 23'000 Bootsflüchtlinge in Griechenland ein. Das sei ein Anstieg um fast 50 Prozent.
Bevölkerung übernimmt Regierungsaufgaben
Die Lage der Flüchtlinge ist desolat. Wegen der schweren Finanzkrise im Land haben die Behörden auf den Ostägäisinseln kein Geld, um den Menschen zu helfen. Es gibt kaum Toiletten, viele Migranten müssen im Freien schlafen. «Griechenland ist masslos überfordert», sagt die Journalistin Rodothea Seralidou in Athen.
Obwohl Griechenland selber massive Probleme hat, zeigt sich insbesondere die einfache Bevölkerung auf den Inseln sehr solidarisch mit den Flüchtlingen.
Nichtregierungsorganisationen und die Bevölkerung würden Arbeiten der Regierung übernehmen, die eigentlich der Staat machen müsste – Wasser, Lebensmittel und Windeln verteilen etwa. «Obwohl Griechenland selber massive Probleme hat, zeigt sich insbesondere die einfache Bevölkerung auf den Inseln sehr solidarisch mit den Flüchtlingen», sagt Seralidou.
Noch würde Empathie mit den Flüchtlingen vor Ängsten überwiegen. Diese versuchten rechtsextreme Gruppierungen wie die Goldene Morgenröte aber zu schüren und politisches Kapital aus der Flüchtlingsmisere zu schlagen. «Sie sagen etwa, dass viele Islamisten unter den Flüchtlingen seien und dass dies eine tickende Zeitbombe für Griechenland und die EU darstellen», weiss Seralidou.
Eigene Flüchtlingsgeschichte ist präsent
Dass insbesondere die Inselbewohner zusammenrücken und sich solidarisch mit den Flüchtlingen zeigen, habe mit der Geschichte des Landes zu tun, erklärt die Journalistin. Griechenland habe eine eigene Flüchtlingsgeschichte. 1922 seien viele Griechen aus der Türkei auf die griechischen Inseln geflohen und aufgenommen worden. Das sei vielen Leuten immer noch sehr präsent.
Trotzdem kämen viele Inseln selber an die Grenzen des Möglichen. Die griechischen Behörden versuchen die Lage auf den Inseln zu entschärfen, indem sie Flüchtlinge mit Fähren nach Piräus auf das Festland zu bringen. Allein am späten Dienstagabend und Mittwochvormittag sollten mehr als 4200 Migranten die Inseln auf diesem Weg verlassen haben. Von dort wollen die meisten über die Balkanroute nach Westeuropa.