Für mehrere demokratische US-Präsidentschaftsbewerber hat mit den sogenannten Town Hall Meetings der lange Vorwahlkampf begonnen. Schon heute einen Favoriten zu benennen, ist praktisch unmöglich, wie USA-Kenner Christian Lammert weiss.
Christian Lammert
Politologe
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Christian Lammert ist Professor für nordamerikanische Politik am John F. Kennedy Institut an der Freien Universität Berlin.
SRF News: Wer von den bisher bekannten Kandidaten hat die besten Chancen, am Ende nominiert zu werden?
Christian Lammert: Die Erfahrung zeigt, dass sich da noch viel tun kann. Gemäss den derzeitigen Umfragewerten liegen jene Kandidaten vorn, die bei den Wählerinnen und Wählern bereits bekannt sind: Bernie Sanders oder Joe Biden – letzterer hat seine Kandidatur noch gar nicht offiziell bekannt gegeben. Recht weit vorn liegt auch Pete Buttigieg, obschon der schwule Ex-Bürgermeister einer Kleinstadt in Indiana eher als Aussenseiter gilt.
Wofür stehen Sanders und Biden?
Ex-Vizepräsident Biden steht für das demokratische Establishment, entsprechend wird er von der Parteiführung unterstützt. Er hat viel politische Erfahrung und geniesst die Unterstützung der Arbeiterklasse – die bei den letzten Wahlen vielfach zum Republikaner Donald Trump gewechselt hat. Mit Biden hofft man, diese Klientel wieder zurückzuholen. Sanders dagegen steht für den linken, progressiven Flügel der Demokratischen Partei. Er machte im Vorwahlkampf 2016 ein sehr gutes Rennen gegen Hillary Clinton. Das zeigt: Die Demokraten sind gespalten. Das stellt ein grosses Problem für sie dar.
Ob man mit Biden oder Sanders Schwarze, Hispanics und junge Wähler wieder an die Urne locken kann, ist völlig unklar.
Biden und Sanders: Beide sind weisse, alte Männer. Sind das die richtigen Kandidaten, um die Menschen im Land abzuholen und zu begeistern?
Das wird derzeit intensiv diskutiert. 2016 hat das mit Hillary Clinton nicht funktioniert. Viele Demokraten blieben am Wahltag zuhause – vor allem Schwarze, Hispanics und junge Wähler. Ob man diese Gruppen mit Biden oder Sanders mobilisieren kann, ist völlig unklar. Andere Kandidaten wie Cory Booker oder Kamala Harris könnten vielleicht eine andere Dynamik in den Wahlkampf bringen. Berücksichtigen muss man auch, dass in den USA ein allgemeines Misstrauen gegen etablierte Politiker herrscht. Das könnte Überraschungskandidaten durchaus eine Chance eröffnen.
Auch die nächste Wahl wird wohl im Stahlgürtel entschieden.
Von Beobachtern hoch gehandelt werden die zwei Frauen Elizabeth Warren und Kamala Harris. Wofür stehen sie?
Beide gehören dem linken Flügel an. Harris hatte sehr gute Auftritte in letzter Zeit – aber den Nachteil, dass sie aus dem als sehr links geltenden Kalifornien stammt. Für die Demokraten stellt sich die Frage, ob man mit einer solchen Kandidatin im Stahlgürtel der USA – dort werden wohl auch die nächsten Präsidentenwahlen entschieden – punkten kann. Warren hatte kürzlich ebenfalls eine gute Presse. Ihr Problem ist derzeit allerdings, authentisch bei den Wählern anzukommen. Sie politisiert auf einer ähnlichen Linie wie Sanders und kämpft für eine Senkung der Bildungskosten oder für besseren Konsumentenschutz.
Viele Kandidaten bedeuten einen langen Vorwahlkampf. Kann das den Demokraten schaden?
Sicherlich – Ähnliches hat man bei den Republikanern 2016 gesehen. Der Vorwahlkampf mit vielen Kandidaten wurde sehr schmutzig geführt. Für die gegnerische Partei ergibt das viel Material für den Hauptwahlkampf. Die Herausforderung für die Demokraten liegt nun darin, die grosse Vielfalt an verschiedenen Kandidaten produktiv umzusetzen. Wenn es gelingt, die vielen konkurrierenden Strömungen ohne Schlammschlacht durch den Vorwahlkampf zu führen, kann das ein Vorteil für die Demokraten sein. Wenn nicht, ist es ein Nachteil.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.
Langer Weg bis zur Präsidentenwahl 2020
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Bis Ende Jahr werden wohl noch weitere Politiker ihre Kandidatur für die Demokratische Partei erklären. Dazu wird es viele Town Hall Meetings geben, bei denen sich die Kandidaten dem Publikum vorstellen und positionieren. So richtig los geht es dann im nächsten Februar, wenn in Iowa die Phase der Vorwahlen zur Kür der Kandidaten beginnt. Sehr schnell wird sich das demokratische Feld ab diesem Zeitpunkt auf acht bis zehn Kandidaten verkleinern. Ungefähr ab Mai 2020 dürfte es ein Zweier-Kopf-an-Kopf-Rennen sein, bis Ende Sommer der demokratische Parteitag den Kandidaten oder die Kandidatin nominiert. Diese oder dieser wird dann gegen den republikanischen Kandidaten antreten, der aus heutiger Sicht Donald Trump heissen wird. Gewählt wird der neue US-Präsident am 3. November 2020.
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