Nach den USA fordert nun auch Australien eine Untersuchung, wie es zur Corona-Pandemie kommen konnte. Die Rolle der WHO und Chinas müssten international unabhängig untersucht werden, verlangte gestern die australische Aussenministerin Marise Payne.
Diese Forderung sei realistisch und vernünftig, sagt Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF. Entscheiden werden letztlich die über 190 Mitgliedsländer der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Welche Absicht steckt dahinter?
Unbestritten ist laut Gsteiger, dass die WHO wie auch jede einzelne Regierung die Lehren aus der Krise ziehen sollten. Problematisch sei allerdings, dass die Forderungen aus Washington und Canberra nicht ganz ehrlich wirkten. Denn es gehe ihnen nicht wirklich darum, die Tätigkeit der WHO zu verbessern, sondern einen Sündenbock zu suchen.
Es geht ihnen nicht wirklich darum, die Tätigkeit der WHO zu verbessern, sondern einen Sündenbock zu suchen.
«Entsprechend ist fraglich, ob die Forderungen aus der richtigen Richtung kommen», so Gsteiger. Gerade Trump wolle eigene Fehler vertuschen. Dieser habe ein Problem noch geleugnet, als die WHO bereits im Januar entschieden vor einer Pandemie gewarnt habe.
Intern oder unabhängig?
Eine solche Untersuchung könnte gemäss Gsteiger intern in der WHO stattfinden, wie dies nach der Ebola-Krise der Fall war. Daraus wurden zahlreiche Lehren gezogen. Die WHO ist seither transparenter geworden und hat in der aktuellen Krise auch schneller reagiert.
Denkbar wäre auch eine externe Untersuchung mit internationalen Experten aus verschiedensten Bereichen wie Epidemiologie, Virologie, Gesundheitsmanagement und Kommunikation.
Ebenso möglich wäre, dass sich die UNO-interne Geschäftsprüfungsbehörde OIOS (Office of Internal Oversight Services) einschaltet. Dies ist in der Regel der Fall, wenn es konkrete Hinweise auf Verfehlungen einzelner Personen gibt.
Ende der Krise abwarten?
Fraglich bleibt auch der Zeitpunkt einer solchen Untersuchung. Jetzt sei es vermutlich noch zu früh, denn es lägen nicht alle Fakten auf dem Tisch: «Die westlichen Länder haben zwar den Eindruck, das Gröbste sei vorbei, für die Drittweltländer hingegen kommt es wahrscheinlich erst noch. »
Nicht auszuschliessen ist laut Gsteiger, dass die WHO-Mitgliedstaaten eine unabhängige Untersuchung fordern. Es ist eine politische Entscheidung. Tatsache sei, dass die grosse Mehrheit der Staaten die Tätigkeit der UNO-Behörde in der aktuellen Corona-Krise als gut bis sehr gut beurteilten. Selbst in den USA hielten wesentlich mehr Bürgerinnen und Bürger die WHO in dieser Krise für glaubwürdiger als ihre eigene Regierung, so Gsteiger.
Vorwürfe an China und Propagandakrieg
Die Regierungen der USA und Australiens werfen vor allem China Intransparenz vor. Die Kritik an China werde noch lauter werden und damit auch die chinesische Propaganda, schätzt Gsteiger: «Es wird noch mehr konkrete Belege und Fakten geben. Bereits jetzt gibt es viele Indizien, dass Peking am Anfang sehr viel verheimlicht und die Lage beschönigt hat. Ebenso viele Hinweise gibt es, dass China danach manches richtig gemacht hat.»
Bereits jetzt gibt es viele Indizien, dass Peking am Anfang sehr viel verheimlicht und die Lage beschönigt hat.
Was man laut Gsteiger vielleicht schon kritisieren könnte: Die WHO habe in der Anfangsphase China ein bisschen zu sehr gelobt. Das war gerade für westliche Ohren etwas penetrant. Allerdings musste die WHO unbedingt dafür sorgen, dass China in der Pandemiebekämpfung kooperiert.