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Alexandroupoli: das «Ende Griechenlands»
Aus SRF 4 News vom 10.08.2023. Bild: Keystone-SDA
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Wichtige Hafenstadt Ein kleiner griechischer Hafen wird zum Zentrum der Geopolitik

Am kleinen griechischen Hafen von Alexandroupoli herrscht seit einigen Monaten reges Treiben. Der Grund: der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Die Stadt liegt an einem geostrategischen Knotenpunkt und an einem Schnittpunkt verschiedener wichtiger Energiepipelines. Ein Besuch in der Hafenstadt.

«Schickt sie nach Alexandroupoli», war in den 1960er Jahren ein gängiger Spruch in Griechenland, wenn man unliebsame Beamte aus Athen in die berufliche Verbannung schicken wollte. Die kleine Stadt ganz im Norden Griechenlands am Thrakischen Meer, nur 40 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, war damals sozusagen das (Karriere-)Ende Griechenlands. Doch heute liegt die kleine Hafenstadt an einem geostrategischen Brennpunkt.

Bosporus geschlossen

Der Grund ist, dass der Bosporus und das Schwarze Meer für ausländische Kriegsschiffe wegen des Ukrainekriegs faktisch nicht mehr zugänglich sind.

Ein Panzer verlässt einen Frachter in Alexandroupoli
Legende: US-Truppen laden Kampfpanzer in Alexandroupoli aus. Das Kriegsmaterial wird von da aus an alle Nato-Stützpunkte in Osteuropa verteilt. Evros News

Alexandroupoli liegt 300 Kilometer westlich von Istanbul und ist deshalb zu einem Hub der Nato geworden. In regelmässigen Abständen, so im Ein- bis Zweimonatsrhythmus, legen riesige Schiffe der Nato, vor allem der US-Navy, an und entladen Kriegsgerät: «Das sind Panzer, zerlegte Apache-Helikopter, die noch im Hafen zusammengesetzt werden, alle möglichen Fahrzeuge, und während des Entladens kreisen zwei Apache-Helikopter über dem Hafen – ein riesiges Spektakel», erzählt Georgios Mavrommatis, Professor an der nahegelegenen Demokrit-Universität.

Karte mit dem Verlauf von Pipelines und der Verortung von Alexondroupoli.
Legende: In Alexandroupoli kreuzen sich auch verschiedene Pipelines. SRF

«Weil der Bosporus geschlossen ist, bildet der Hafen von Alexandroupoli für die Nato die neue Schnittstelle zwischen Süd- und Osteuropa», analysiert Ino Afentouli, die 20 Jahre für die Nato gearbeitet hat und heute das Institute of International Relations in Athen leitet.

Verbindung bis nach Tallin

Der Direktor des Hafens von Alexandroupoli, Kontantinos Chatzimichail, erklärt: «Von Alexandroupoli aus transportiert die Nato, in erster Linie die USA, ihr Kriegsmaterial an alle Stützpunkte in Osteuropa. Die Transporte führen nach Bulgarien, Rumänien, Polen, ins Baltikum und bis nach Tallin am finnischen Meerbusen.»

Panzer und Militärlastwagen sind an den Hafendocks parkiert.
Legende: Der gesamte Hafen der griechischen Stadt ist voller Kriegsgerät. Alexandroupoli ist für die Nato die Schnittstelle zwischen Süd- und Osteuropa. US Army

Weil aber insbesondere die US-Truppen regelmässig wechseln, werde einerseits Kriegsgerät in Alexandroupoli ausgeladen und nach Osteuropa weitertransportiert, und andererseits würden Panzer und Fahrzeuge von Alexandroupoli zurück in die USA verschifft.

Medienberichte, wonach auch Kriegsmaterial über Alexandroupoli in die Ukraine transportiert werde, verneint Chatzimichail kategorisch. Überprüfen lässt sich das nicht.

Zwei Personen unterhalten sich auf einem leeren Hafendock in Alexandroupoli.
Legende: Wenn keine US-Transportschiffe anlegen, ist der Hafen von Alexandroupoli gespenstisch leer. SRF/Peter Voegeli

Von Alexandroupoli führt auch eine Verbindung an den rumänischen Schwarzmeerhafen Konstanza, der in der Vergangenheit als behelfsmässiger Umschlagshafen für den Getreidetransport aus der Ukraine diente. Alexandroupoli als Ersatz für Odessa oder Konstanza? Das wäre für Chatzimichail eine verlockende Perspektive. Allerdings verursachen die unterschiedlichen Spurweiten der Eisenbahnen zwischen Westeuropa und der früheren Sowjetunion Probleme.

LNG-Terminal

Keine Probleme bereitet ein anderes Projekt: Stolz zeigt Konstantinos Chatzimichail das Schiff «Castoro 10», das in diesen Tagen im Hafen von Alexandroupoli liegt. «Dieses Schiff verlegt die Pipelines vom LNG-Terminal vor Alexandroupoli zum bestehenden Gasnetz an Land.» Ab 2024 soll Flüssiggas aus den USA oder beispielsweise Katar ins Pipelinenetz eingespeist werden.

Totale auf das Schiff «Castoro 10»§
Legende: Die «Castoro 10» verlegt eine Pipeline von einem LNG-Terminal zum Gasnetz auf dem Festland. SRF/Peter Voegeli

Alexandroupoli ist also nicht bloss ein militärischer Knotenpunkt. Vor allem laufen in der Region wichtige Erdgaspipelines zusammen. Gas aus der Ukraine und Aserbeidschan wird über die Türkei und Griechenland nach Italien oder Südosteuropa geleitet. Seit letztem Oktober ist auch die Gaspipeline IGB zwischen Griechenland und Bulgarien in Betrieb und versorgt den nördlichen Nachbarn mit Erdgas, nachdem Russland die Lieferungen gestoppt hat.

Leuchtturm von Alexandroupuli
Legende: Der Leuchtturm ist das Wahrzeichen von Alexandroupoli. Die griechische Hafenstadt lag seit jeher an einer strategischen Kreuzung. SRF/Peter Voegeli

Eigentlich hätte der Hafen privatisiert werden sollen, aber angesichts seiner strategischen Bedeutung hat die griechische Regierung 2022 davon Abstand genommen.

Kreuzung der Geschichte

Alexandroupoli lag schon immer an einer geostrategischen Kreuzung der Geschichte. 1870 wurde die Stadt am Meer gegründet, als eine Nebenstrecke des Orientexpresses von Paris nach Konstantinopel mit der Küste, also mit Alexadroupoli, verbunden wurde. Den Leuchtturm im Hafen, das Wahrzeichen der Stadt, haben die Franzosen gebaut, die schönen Boulevards die Russen.

Die Stadt profitiert von der US-Navy, der Nato und ihrer Bedeutung als Energieknotenpunkt. Die Bars sind abends voll. Viele wohlhabende Bulgaren kaufen Immobilien in Alexandroupoli, viele Reiche aus Istanbul machen am Wochenende einen Abstecher in die griechische Hafenstadt, um ungestört zu feiern. Dafür nehmen sie auch 300 Kilometer Fahrt und einen Visumsantrag in Kauf. Alle zieht es nach Alexandroupoli.

Echo der Zeit, 10.08.2023, 18:00 Uhr

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