Einen Tag vor Heiligabend präsentierte die rechtsnationale Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) dicke Post: einen 670 Seiten starken Bericht zur Aufarbeitung der eigenen Parteigeschichte. Die nationalsozialistischen Verflechtungen sollten wissenschaftlich untersucht werden.
Inzwischen haben sich unabhängige Historiker damit befasst und die sagen: dicke Post – auch im übertragenen Sinn.
Haushistoriker attestieren Abgrenzung
Am Anfang standen Texte voller Judenhass in einem Liederbuch einer österreichischen Burschenschaft – diese Verbindungen sind tief vernetzt ins rechtsradikale Milieu und in die FPÖ, jener Partei also, die noch bis letzten Mai in der österreichischen Regierung sass.
Bericht zum Nachlesen
Nach dieser Liederbuchaffäre kam die Partei massiv unter Druck und setzte eine Historikerkommission ein. An deren Bericht beteiligt war Thomas Grischany, ein FPÖ-Vertrauter.
Er betonte, die Nähe zum Nationalsozialismus sei kein Geheimnis, aber die FPÖ habe sich längst von der NSDAP gelöst: «Eine Erkenntnis des Berichtes ist, dass die FPÖ auf der inhaltlich-materiellen Ebene ein Eigenleben entwickelt hat – trotz personeller Verflechtungen.»
Die Partei sei also kein blosser «Wurmfortsatz eines Sammlungsbeckens der Ehemaligen», wie es Grischany ausdrückt.
In diesem Bericht fand nur am Rande eine wissenschaftliche Aufarbeitung statt.
So tönte das vor Weihnachten. Inzwischen haben auch unabhängige Experten das umfangreiche Werk studiert. Oliver Rathkolb von der Uni Wien spricht von Etikettenschwindel: «In diesem Bericht fand nur am Rande eine wissenschaftliche Aufarbeitung statt.»
Lückenhaft und wissenschaftlich dürftig
Die über 660 Seiten könne man auf 60 bis 100 eindampfen – und selbst dort gebe es grosse Lücken: «Die schlagenden Burschenschaften und Traditionen voller Antisemitismus und Rassismus, die in die NS-Zeit und bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen – das alles wird nicht mal ansatzweise aufgenommen.» Und über die Geschichte der FPÖ erfahre nicht wirklich Neues.
Man hätte aus Datenschutzgründen nicht über die Archive der Burschenschaften gehen können, rechtfertigte sich Thomas Grischany: «Es steht der FPÖ als Partei nicht zu, von privatrechtlichen Vereinen Zugang zu den Archiven zu verlangen.»
Man habe geliefert, so Grischany weiter, was im Bereich des Möglichen gelegen habe: Einen historischen Abriss über die Geschichte der Kooperationen und über das Liedgut.
Nicht genug, findet Oliver Rathkolb. Der Einblick in das Netzwerk der radikalen deutschnationalen Burschenschaften wäre wichtig, denn die dominierten die Partei: «Sie sind heute politisch innerhalb der Partei viel stärker als noch unter Jörg Haider. Die FPÖ konnte sich einfach nicht durchsetzen.»