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Wie weiter in Kasachstan? «Es geht einzig und allein um die Sicherung der Macht der Elite»

Die Nachricht war eine Überraschung: Letzten Dienstag gab der Präsident von Kasachstan, Nursultan Nasarbajew, seinen Rücktritt bekannt. 30 Jahre war er an der Macht, sein autokratischer Führungsstil prägte das Land. Sein Nachfolger wird – bis zu den Wahlen im nächsten Jahr – der jetzige Sprecher des Senats, der ehemalige Aussenminister Kassym-Schomart Tokajew. Nach wie vor hält Nasarbajew aber wichtige Positionen inne. Ist ein Regierungswechsel in Kasachstan also eine Illusion? «Er wird die Fäden in der Hand behalten», erklärt Zentralasienexpertin Edda Schlager.

Edda Schlager

Zentralasien-Expertin

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Edda Schlager lebt seit 2005 in Almaty in Kasachstan und reist regelmässig in die zentralasiatischen Nachbarländer. Sie berichtet für deutschsprachige Printmedien und Radiosender aus Zentralasien.

SRF News: Wie reagiert die Bevölkerung auf den Rücktritt des Langzeitpräsidenten?

Edda Schlager: Der Rücktritt Nasarbajews hat Kasachstan erschüttert. Die Reaktionen kann man grob in zwei Kategorien unterteilen: Eine Gruppe ist froh, dass der Präsident endlich zurückgetreten ist. Andererseits gibt es staatsnahe Angestellte, die geschockt sind. Sie bangen um ihre Arbeit und eigene Lebensperspektive. Sie haben Angst.

Wird es in Kasachstan nun zu einem Umbruch kommen?

Die Spekulationen nach Nasarbajews Rücktritt gingen ziemlich weit. Schnell kam jedoch die Ernüchterung und es wurde deutlich, dass sich in Kasachstan nicht viel ändern wird. Durch die Wahl Tokayevs als Übergangslösung hat sich Nasarbajew Zeit geschaffen, weitere Veränderungen vorzunehmen, und er wird die Fäden weiterhin in der Hand behalten. Aus gutem Grund: Nasarbajew bleibt weiterhin Chef des Sicherheitsrates und der Regierungspartei. Ausserdem ist er im Verfassungsrat. Wichtige Positionen also, um aussen- und innenpolitische Entscheidungen zu treffen.

Wirtschaftlich gesehen läuft es in Kasachstan nicht gut.

Nasarbajew hat nun Zeit und Optionen, Personen aus seiner Familie oder jemand Nahestehendes aufzubauen. Er nimmt Druck aus dem System, da die Situation vor dem Rücktritt nicht die Beste war.

Nasarbajew musste also reagieren?

Die Lage in den letzten Monaten war äusserst angespannt. Wirtschaftlich läuft es in Kasachstan nicht gut: Es gab mehrere Geldabwertungen und gesunkene Rohstoffpreise. Wirtschaftlich ist man eng mit Russland verbunden. Die soziale Ungleichheit ist in Kasachstan gewachsen und die Leute verleihen ihrer Unzufriedenheit zunehmend Ausdruck. Es sind keine Massenproteste, aber immer wieder kommt es zu kleineren Ansammlungen.

Es geht einzig und allein um die Sicherung der Macht der Elite.

Wird Nasarbajews Plan aufgehen?

Ich denke schon. Der Druck ist erstmal raus. Mit Betonung auf erstmal. Einen Tag nach dem Rücktritt hiess es, dass die Hauptstadt Astana zu Ehren des Präsidenten in Nursultan umgetauft wird. Dieser Schritt ist unpopulär in Kasachstan. Das ist ein repressiver Akt, und zeigt wie totalitär dieses Land ist. Es geht einzig und allein um die Sicherung der Macht der Elite, auch in kommender Zeit wird nichts ohne die Zustimmung von Nasarbajew geschehen.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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