Vor knapp 30 Jahren gab es im Trentino nur noch eine Handvoll Bären. Heute sind es wieder über 100. 1999 hatte mit dem Programm Life Ursus, unterstützt von der EU, die Wiederansiedlung des Braunbären begonnen. Doch mit dem Tod eines Joggers durch die Bärin Gaia im Trentino habe sich die Stimmung diametral gedreht, sagt Lucia Coppola, die für die Partei «Europa Verde» im Parlament der autonomen Provinz Trentino sitzt. Zu Beginn hätten 70 Prozent der Bevölkerung das Programm befürwortet, heute sei derselbe Anteil gegen die grosse Präsenz der Bären.
Fugatti fordert Hilfe von Rom
Der Landeshauptmann vom Trentino, Maurizio Fugatti von der Lega, drohte in diesen Tagen, 70 Braunbären töten zu lassen, falls Rom nicht eine Umsiedlung einer gleich grossen Zahl organisiere, und löste damit eine grosse Kontroverse aus. Das politische Manöver ist durchsichtig, denn im Herbst wird im Trentino gewählt.
Verantwortlich ist die Politik, die zugelassen hat, dass die Bären das Wiederansiedlungsprogramm quasi selbst gemanagt haben.
Weder die Bärin noch der junge Mann seien für das tragische Ereignis verantwortlich, sagt die grüne Politikerin Coppola. Nicht einmal die Mutter des getöteten Joggers gebe dem Bären die Schuld. «Verantwortlich ist die Politik, die zugelassen hat, dass die Bären das Wiederansiedlungsprogramm quasi selbst gemanagt haben», kritisiert Coppola. Das ist ein happiger Vorwurf.
Erst seit kurzem gebe es beispielsweise Mülleimer, die bärensicher seien, sprich: von den Bären nicht umgeworfen und als Nahrungsquelle genutzt werden konnten. Es habe auch kein Monitoring über das Wachstum der Population gegeben, so Coppola.
Das Trentino werde durch Autobahnen, die Eisenbahn und den Fluss Etsch geteilt, und dies habe verhindert, dass sich die Bären wie erhofft über ein grösseres Gebiet verbreiteten. Die Forderung nach sicheren Wanderkorridoren für die Bären sei stets abgelehnt worden. Ebenso abgelehnt wurde das Angebot des Umweltministeriums in Rom, einen Teil der Population zu sterilisieren.
Wiederansiedlung ist ein Prozess
Luciano Sammarone ist der Leiter des Nationalparks Abruzzen, Latium und Molise, einer der ältesten Nationalparks Italiens, gegründet 1922. Auch hier gibt es Bären, allerdings weniger, die sich auf einer grösseren Fläche verteilen. Aber das sei nicht entscheidend, so der Experte. Sammarone setzt vor allem auf permanente Information der Bevölkerung, der Landwirte oder an Schulen.
Wenn man die Bären nicht einfach ausrotten, sondern als Teil der Fauna will, muss man mit ihnen leben.
Für ihn ist die Wiederansiedlung der Bären ein langer Prozess, der ständig angepasst werden müsse. «Wenn man die Bären nicht einfach ausrotten, sondern als Teil der Fauna will, muss man mit ihnen leben.» Man müsse sie als Teil einer lebensgefährlichen Natur akzeptieren, die wie überall in den Bergen oder auf dem Meer vorhanden sei, sagt Sammarone klipp und klar.
Die Bärenpopulation rasch mehr als zu halbieren, wie vom Landeshauptmann des Trentino gefordert, sei praktisch unmöglich. Denn die Tiere müssten so ausgewählt werden, dass verkleinerte Bärenpopulation weiterexistieren und sich fortpflanzen könnten.