«Jeht doch!» Ausser, dass in Berlin-Mitte der Leiter eines Wahlbüros verschlafen hat und von der Polizei aus dem Bett geklingelt werden musste, ging die Wiederholung der 2021 völlig verkachelten Wahl für das Berliner Abgeordnetenhaus glatt über die Bühne.
Dafür sieht das Ergebnis ganz anders aus: Die Sozialdemokraten erhielten die Quittung für alles, was in der Hauptstadt im Argen liegt, und das ist so einiges. Mit 18.4 Prozent schnitt die SPD so schlecht ab wie nie seit 1950, sie gewann keinen einzigen Wahlbezirk der Hauptstadt. Selbst der Wahlkreis Neukölln der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey ging an die CDU.
König ohne Land?
Die Berliner CDU mutierte während des Wahlkampfs zu einer eigentlichen Protestpartei, weil sie den Ärger vieler Berliner und Berlinerinnen auf den Punkt brachte und die aktuellen Probleme ansprach: von der ausufernden Wohnungsnot über die weitgehend dysfunktionale Verwaltung bis zur verkorksten Verkehrspolitik. Die Christdemokraten trafen dabei einen Nerv: Die Union kommt mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner auf 28.2 Prozent.
Ob er aber ins Rote Rathaus (das nur wegen seiner roten Klinkerfassade so genannt wird) einzieht, ist unklar. Denn allein regieren kann die CDU nicht, sie ist auf ein Bündnis mit der SPD oder den Grünen angewiesen, die ebenfalls 18.4 Prozent der Stimmen holten.
Weil in Berlin die Sozialdemokraten aber besonders links und die Grünen besonders grün sind, verspüren diese wenig Lust auf eine Grosse Koalition. Zumal die SPD, obwohl klare Wahlverliererin, das bisherige rot-grün-rote Bündnis einfach weiterführen könnte, denn die nötige Parlamentsmehrheit dazu hat sie. Das Nachsehen hätte der Wahlsieger Kai Wegner. Er wäre ein tragischer Held, ein König ohne Land. Doch der Koalitions-Poker hat eben erst begonnen.
Auswirkungen auf Bundesebene
Der satte Vorsprung der CDU vor SPD und Grünen und das schlechte Abschneiden der FDP – die Freien Demokraten haben zum fünften Mal in Folge den Einzug in ein Landesparlament verpasst – haben Auswirkungen über Berlin hinaus. Die Regierungsbeteiligung der FDP ist mit der erneuten Schlappe auf Landesebene zwar nicht infrage gestellt. Doch wird die Partei ihr Profil weiter schärfen müssen, was das ohnehin schon hohe Konfliktpotenzial in der Ampelkoalition der Bundesregierung weiter erhöhen dürfte.
Dass sich der Unmut des Wahlvolks an der Spitze einer Koalition sammelt wie jetzt in Berlin, wird auch der SPD in der Ampelregierung zu denken geben.
Der Bundes-CDU wiederum gibt der Wahlsieg Rückenwind. «Die Union steht als Alternative zu diesem Ampelbündnis oder auch eben dem rot-grün-roten Bündnis in Berlin», erklärt der Politikwissenschaftler Thorsten Faas. Mit der Regierung Unzufriedene hätten nun eine Alternative zur AfD. Und das sei für die Opposition keine schlechte Aussicht für die nahe Zukunft.