Im Sommer sorgt Kalifornien immer wieder mit seinen grossen Waldbränden für Schlagzeilen. Derzeit sind es aber massive Winterstürme, die den US-Bundesstaat im Griff haben. 14 Menschen kamen bisher ums Leben. Sommer- und Winterphänomene haben miteinander zu tun. Sie verstärken sich gegenseitig. Arndt Peltner ist Journalist vor Ort und Augenzeuge des Unwetters.
SRF News: Wie erleben Sie die Winterstürme vor Ort?
Zwischen Dezember und Februar gibt es hier immer Stürme mit heftigem Wind und viel Regen. Aber diesmal ist es anders. Seit zehn, vierzehn Tagen regnet es fast durchgehend. Es gibt heftige Winde. Und es gibt diese sogenannten Atmospheric Rivers, atmosphärische Flüsse. Man muss sich es so vorstellen: Bänder voller Feuchtigkeit in der Luft. Dadurch können riesige Mengen an Niederschlag auf einmal und auf einem kleinen Gebiet vom Himmel fallen.
Atmospheric Rivers muss man sich so vorstellen: Bänder voller Feuchtigkeit in der Luft. Dadurch können riesige Mengen an Niederschlag auf einmal und auf einem kleinen Gebiet vom Himmel fallen.
Das führt zu Überschwemmungen und entwurzelten Bäumen. Die Behörden warnen ständig vor plötzlich auftretenden Sturzfluten. 30’000 Menschen wurden im gesamten Bundesstaat schon evakuiert. Viele Nachbarschaften und Gemeinden sind einfach nicht mehr sicher und es ist zu gefährlich, im eigenen Haus zu bleiben. Es ist ein verheerendes Bild, das sich derzeit in Kalifornien bietet.
Haben Sie so etwas schon einmal erlebt?
Es gab immer wieder solche atmosphärischen Flüsse und heftige Stürme. Aber in dieser Intensität und in dieser Länge, ohne Pause, das habe ich noch nie erlebt.
Ungewöhnlich ist die hohe Zahl an Todesopfern. War man nicht vorbereitet?
Vorbereitet ist man sicher. Es hat mehrere Gründe, dass es derzeit so viele Tote gibt. Zum einen liegt es sicherlich an der Infrastruktur Kaliforniens. Ich war heute auch mit dem Auto unterwegs und es gab heftigen Regen, der einfach nicht von der Fahrbahn abfloss, sogar auf der Autobahn nicht. Dazu kommt, dass die Kalifornierinnen und Kalifornier schlechte Autofahrer im Regen sind. Sie fahren trotz des Regens schnell und das führt zu Aquaplaning und zu vielen Unfällen.
Man spricht bereits von Schäden im Bereich von mehreren Milliarden Dollar.
Joe Biden hat für den ganzen Bundesstaat den Notstand ausgerufen. Was bedeutet das konkret?
Das Ausrufen des Katastrophenfalls bewirkt, dass Geldmittel von der Bundesregierung in Washington freigesetzt werden, die kurz- und auch langfristig helfen sollen. Man spricht bereits von Schäden im Bereich von mehreren Milliarden Dollar. Nach diesen zehn Tagen Regenfällen hier werden damit auch Hilfsmassnahmen von Bundesbehörden freigeschaltet.
Die Behörden gehen davon aus, dass in den nächsten zwei Wochen noch weitere Stürme kommen werden. Mit dem Klimawandel werden solche Stürme wahrscheinlicher. Findet in Kalifornien bereits eine Diskussion statt, wie man darauf reagieren will?
In Kalifornien gibt es diese Diskussion schon lange. Gerade die das ganze Jahr über bestehende Brandgefahr zeigt deutlich, dass der Klimawandel nicht erst kommt, in Kalifornien ist er längst präsent. Die gewaltigen Stürme mit diesen Wassermassen, die wir gerade erleben, sind eine Folge davon.
Wir haben Gavin Newsom als Gouverneur. Er sieht das als sein Hauptthema an. Newsom gilt auch als ein potenzieller US-Präsidentschaftskandidat der Demokraten für 2024, falls Joe Biden nicht mehr antreten sollte. Und ich bin mir sicher, dass der Klimawandel und die Erfahrungen mit Bränden, Stürmen und Überschwemmungen für ihn ein wichtiges Thema sind. In anderen Teilen der USA ist das sicherlich noch nicht so angekommen.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.