Eine Woche lang weilt Ueli Maurer mit einer Finanz- und Wirtschaftsdelegation in China. Dabei wird er vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping zu einem Staatsbesuch empfangen. Wirtschaftsvertreter werben für einen besseren Marktzugang, auch bei Chinas Seidenstrassen-Projekt will man sich engagieren. Begibt sich die Schweiz mit der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung in Abhängigkeit von der Supermacht? Die Ängste seien unbegründet, sagt der Bundespräsident im Gespräch mit SRF News.
SRF News: Mit Ihrer Reise nach China möchten Sie unter anderem den Zugang der Schweizer Finanzbranche zum chinesischen Markt verbessern. Sie haben sich mit Vertretern der chinesischen Behörden und der Finanzbranche getroffen. Welche Zugeständnisse haben Sie erreichen können?
Ueli Maurer: Wir haben ein Memorandum of Understanding betreffend einer Zusammenarbeit mit der Schanghaier und Zürcher Börse unterzeichnet. Das kommt für uns im richtigen Moment. Es gibt zudem weitere Absichtserklärungen über die Zusammenarbeit im Versicherungsbereich und beim Austausch von Produkten für den Finanzplatz.
Daneben haben wir verschiedene offene Fragen angesprochen. Man hat uns versprochen, dass man sich darum kümmert. Zusammengefasst haben wir das Gefühl, dass wir im Finanzbereich ein sehr gutes Ergebnis erzielt haben.
Welches Potenzial sehen Sie für den Schweizer Finanzplatz in China?
Ein sehr grosses. Die Grossbanken sind seit längerer Zeit in China präsent. Die Privatbanken drängen ebenfalls auf den Markt. Mit der grossen Erfahrung und der Sicherheit des Schweizer Finanzplatzes ist das Potenzial für neue Kunden durchaus vorhanden.
Die Schweiz hat seit fünf Jahren ein Freihandelsabkommen mit China. Seither haben sich die Schweizer Exporte fast verdoppelt. Allerdings beklagt sich die Schweizer Wirtschaft immer wieder über Bürokratie und Vorschriften, die den Handel erschweren würden. Kommt das auch zur Sprache?
Das ist ein Thema. Wir streben an, dass das Freihandelsabkommen nun, wie ursprünglich vorgesehen, erweitert wird. Wir wollen den nächsten Schritt einleiten, um neue Bereiche miteinzubeziehen.
Die Neue Seidenstrasse ist mehr als ein Bauprojekt. Kontinente, Kulturen und Werte sollen verbunden werden.
Auch hier bin ich gedämpft optimistisch. Ich denke aber, dass das nicht gerade morgen passieren wird. Aber die Bereitschaft, im Freihandel weiterzugehen, ist vorhanden.
Ab morgen werden Sie am zweiten «Belt and Road Forum» in Peking teilnehmen. Dabei geht es um Chinas Neue Seidenstrasse. Auch diesbezüglich wird die Schweiz eine Absichtserklärung mit China unterzeichnen. Was bringt das der Schweizer Wirtschaft konkret?
Bei der Erklärung geht es darum, dass wir die Zusammenarbeit von Schweizer und chinesischen Unternehmen in Drittstaaten regeln. Es geht also nicht um das Verhältnis Schweiz-China, wie es etwa Italien gemacht hat und dafür kritisiert wurde.
Es geht darum, dass wir gute Voraussetzungen für Schweizer Unternehmen schaffen, die sich an diesem Ausbau beteiligen. Damit sie gleich lange Spiesse wie chinesische Unternehmen haben.
Es gibt Kritik – vor allem von Deutschland und Frankreich, aber auch aus den USA – gegenüber der Offensive der Chinesen. Droht die Schweiz zwischen die Fronten zu geraten, wenn sie sich beim Seidenstrassen-Projekt engagiert?
Es ist mehr als ein Bauprojekt. Kontinente, Kulturen und Werte sollen verbunden werden. Die Schweiz mit ihrer Tradition ist ein wichtiger Partner für alle teilnehmenden 65 Länder – nicht nur für China.
Am Ende der Reise – am Sonntag und Montag – werden Sie vom chinesischen Präsidenten offiziell zu einem Staatsbesuch empfangen. Eine besondere Ehre. Wieso ist der Kleinstaat Schweiz für die Supermacht dermassen wichtig?
Wir setzen eine 70-jährige Tradition fort. Die Schweiz hat die Volksrepublik China 1950 als eines der ersten Länder überhaupt anerkannt. Seither finden Begegnungen auf diesem Level statt.
Die Chinesen wissen, dass sie im Bereich der Menschenrechte noch Mängel haben. Wir sprechen auch darüber.
China schätzt die Schweiz mit ihrer Fähigkeiten, weil diese die chinesischen Fähigkeiten ergänzen. Man kann im besten Sinne des Wortes von einer ergänzenden Partnerschaft sprechen und nicht von irgendwelchen Abhängigkeiten.
Kommen bei diesen Treffen auch die Menschenrechte zur Sprache?
Bei all unseren Treffen sind diese am Rande ein Thema. Wir führen allerdings bereits seit 16 Jahren einen Menschenrechtsdialog mit China. Es ist nicht das Hauptthema. Aber China ist sich sehr wohl bewusst, dass es an der Schwelle von einem Entwicklungsland zur führenden Industrienation steht. Die Chinesen wissen, dass sie im Bereich der Menschenrechte noch Mängel haben. Das wird nicht bestritten und wir sprechen auch mit ihnen darüber.
Das Gespräch führte Philipp Burkhardt.