Als Carlos Dada vom International Press Institute IPI in der Journalismusschule der New Yorker Columbia Universität zum Press Freedom Hero 2022 gekürt wurde, zweifelte niemand, dass er die richtige Wahl ist.
Ausser er selber. Er sei sicher kein Held, sagte er. Und er betrachtet es als Zumutung, dass Journalistinnen und Journalisten, die engagiert und der Wahrheit verpflichtet ihre Arbeit tun, etwas Heldenhaftes haben müssen. Das sei zu viel verlangt.
Tatsächlich finden sich in der Galerie bisheriger «Press Freedom Heroes» neben Branchengrössen wie «Le-Monde»-Gründer Hubert Beuve Méry, «Spiegel»-Gründer Rudolf Augstein oder «Washington Post»-Verlegerin Katharine Graham auch Medienschaffende, die ein tragisches Ende nahmen. Anna Politkovskaya etwa, in Moskau erschossen. Daniel Pearl, in Pakistan verschleppt, dann geköpft. Mazen Darwish, in Syrien inhaftiert und gefoltert. May Chidiac, im Libanon von einer Autobombe verstümmelt.
Ständig in Gefahr
Er selber führe schon lange kein normales Leben mehr, sagte Dada: «Seit 15 Jahren gibt es Drohungen von allen Seiten: Banden, Drogenhändler, korrupte Polizeibeamte.» Und die Lage werde nicht besser, sondern schlechter.
Seit 15 Jahren gibt es Drohungen von allen Seiten: Banden, Drogenhändler, korrupte Polizeibeamte.
In seiner Heimat El Salvador, wo der immer autoritärer auftretende Populist Nayib Bukele regiert. Und ebenso in den Nachbarstaaten Guatemala, Nicaragua, Honduras, Panama und selbst im früheren Vorzeigeland Costa Rica.
Alle gleiten in den Autoritarismus ab. Die Korruption grassiert. Die organisierte Kriminalität wird stärker und dreister. Die politischen und verbrecherischen Drahtzieher haben Angst vor der Wahrheit. Journalistinnen und Journalisten geraten in ihr Visier.
«Leuchtturm» seit 24 Jahren
Darunter die von Carlos Dada 1998 als erste ausschliesslich online erscheinende Zeitung Lateinamerikas «El Faro», der «Leuchtturm». Sie spezialisierte sich auf hartnäckige Recherchen und hintergründige Geschichten und erreicht damit in ganz Zentralamerika und mit ihrer englischsprachigen Ausgabe auch in den USA zwar kein Massen-, jedoch ein gebildetes Publikum.
Das Publikum ist da. Doch die Finanzierung ist prekär. Nachdem die Regierung begonnen hat, Anzeigenkunden zu bedrohen, brach die Werbung ein. Immerhin: Obschon die Lektüre von «El Faro» kostenlos ist, zahlen viele freiwillig einen Abonnementsbeitrag. Stiftungen, Firmen und Einzelpersonen unterstützen Dadas Zeitung, die auch Audios und Videos anbietet.
Zum Journalismus fand der 52-Jährige schon als Kind. Als seine Familie in Mexiko im Exil lebte, weil Dadas Vater, ein Universitätsprofessor, zu Hause bedroht wurde, verkehrten bei ihnen ständig Auslandskorrespondenten. Ihre Erzählungen hätten ihn begeistert. Trotz Mühsal und Risiken sieht er für sich keinen anderen Beruf.
Die Hoffnung bleibt
Auf die Frage, ob «El Faro» dazu beitrage, die Situation in den Staaten Zentralamerikas zu verbessern, reagiert Dada zurückhaltend. Natürlich wünsche man sich das als Journalist. Tatsächlich sei jedoch etwa in El Salvador die Lage in den 24 Jahren seit der «Faro»-Gründung viel schlimmer geworden. Offenkundig erziele man nicht die erhoffte Wirkung.
Die Geschichte lehrt, dass alles irgendwann einmal ein Ende findet.
Kurzfristig bleibe ganz Zentralamerika, das in Europa kaum je im Rampenlicht steht, wohl eine Krisenregion. Hoffnung sieht er allenfalls mittel-, ja langfristig. Und auch nur deswegen, weil irgendwann alles ein Ende finde. Auch das Schlechteste.