Es ist ziemlich schwierig, einen gewählten Kanzler aus dem Amt zu kegeln. Das geht nur mittels eines sogenannten Misstrauensvotums, bei dem sich eine neue Mehrheit im Bundestag hinter einem alternativen Kanzlerkandidaten versammeln müsste (was derzeit unrealistisch ist). Oder der Kanzler geht von allein. Artikel 68 des deutschen Grundgesetzes gesteht nur ihm das Recht zu, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen und, indem er diese verliert, Neuwahlen auszulösen.
Olaf Scholz will dieses Recht nutzen. Mitte Januar. Ihm schwebt vor, mit einer Minderheitsregierung noch drängende Gesetzesvorhaben durchs Parlament zu bringen, mit wechselnden Mehrheiten. Die Begrenzung der kalten Progression würde sicher der geschassten FDP noch schmecken, die Union könnte den Vorstoss mittragen, das Bundesverfassungsgericht besser gegen Demokratiefeinde zu wappnen und würde wohl auch einer Rentenerhöhung nicht im Weg stehen. Doch CDU/CSU mögen nicht Einwechselspieler sein für die FDP, im Gegenteil. Oppositionsführer Friedrich Merz drängt auf schnellstmögliche Neuwahlen.
Gezerre um Wahltermin
Würde Scholz, wie von der Union gefordert, schon diesen Mittwoch, bei der geplanten Regierungserklärung im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, hätte Bundespräsident Steinmeier danach bis zu 21 Tage Zeit, den Bundestag aufzulösen. Innerhalb von 60 Tagen muss es dann Neuwahlen geben.
Inzwischen kann sich Olaf Scholz zwar vorstellen, die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten zu stellen. Er delegierte die Terminfindung aber kurioserweise am Sonntag in der ARD-Talksendung bei Caren Miosga an die Fraktionschefs von SPD und Union. Die Antwort von CDU/CSU kam prompt: Nebelkerzen, Verzögerungstaktik, man werde sich auf keinerlei Deals einlassen. Und Olaf Scholz hat weiterhin nicht vor, am Mittwoch die Vertrauensfrage zu stellen, wie Regierungssprecher Hebestreit am Montagmittag betonte. Im Januar wird es damit keine Neuwahlen geben. Nächste Gelegenheiten sind die beiden Sitzungswochen Ende November und Anfang Dezember. Oder die letzte Sitzungswoche des Jahres ab dem 16. Dezember.
Enges Zeitkorsett
Inzwischen hat aber selbst CDU-Chef Merz erkannt, dass der von ihm geforderte 19. Januar vielleicht doch ein etwas zu ambitioniertes Datum ist. In der Fraktionssitzung am Montag schlug er den 16. oder 23. Februar vor. Das Zeitkorsett bleibt aber so oder so eng. Bundeswahlleiterin Ruth Brand warnt vor «unwägbaren Risiken durch kürzere Fristen» und «logistischen Herausforderungen».
Eine Bundestagswahl zu organisieren, ist schon zu normalen Zeiten anspruchsvoll. Wahlunterlagen müssen gedruckt und geprüft, 65 Millionen Wahlberechtigte angeschrieben und abertausende Wahlhelfer aufgeboten werden. 50 Parteien müssen 4000 Kandidaten mobilisieren, auswählen, nominieren. Grosse Parteien sind vielleicht aus dem Stand kampagnenfähig, kleine jedoch nicht. Um an der Bundestagswahl teilnehmen zu dürfen, müssen Parteien auf Landesebene Unterschriften von Unterstützerinnen und Unterstützern vorlegen, was zum Beispiel eine Kleinpartei wie Volt vor Probleme stellt. Aber auch das Bündnis Sahra Wagenknecht ist in der Bredouille. Anders als im Osten verfügt das BSW im Westen kaum über Landesverbände – die aber notwendig sind, um in den Wahlkampf zu ziehen.
Der Termin für die vorgezogene Bundestagswahl mag noch nicht fix sein. So oder so, eine entspannte Weihnachtszeit können sich schon mal alle abschminken. Angesagt ist ein Winter-Strassenwahlkampf zwischen Glühwein und Lebkuchenherzen.