Viele Chefs von UNO-Organisationen sind graue Mäuse. Das Wahlverfahren sorgt häufig dafür, dass allzu profilierte Kandidaten ausgesiebt werden. Die Ausnahme von der Regel ist Zeid al-Hussein, der jordanische Prinz, der seit drei Jahren als Hochkommissar für Menschenrechte amtiert.
Er ist der bekannteste UNO-krat, gleich nach UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. Gerade weil es zurzeit vielerorts schlecht steht um die Menschenrechte, steht er im Rampenlicht. Der 53-jährige Zeid al-Hussein ist umstritten, bisweilen wird er gar heftig angefeindet. Nicht weil er etwas falsch, sondern weil er vieles richtig macht.
Die Krux mit den Menschenrechten
Während niemand grundsätzlich etwas hat gegen UNO-Organisationen wie die Atombehörde IAEA, das Entwicklungsprogramm UNDP oder das Kinderhilfswerk Unicef, ist das beim UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCR) anders. Zwar geben es nur die wenigsten Machthaber zu, aber sehr viele – und immer mehr – sähen es am liebsten, wenn die Vereinten Nationen die Hände von den Menschenrechten liessen.
Eben wies die Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch nach, wie etwa China systematisch die Arbeit von Zeid al-Husseins Behörde und des Menschenrechtsrates hintertreibt.
«Populisten und Terroristen profitieren voneinander»
Zeid al-Hussein spricht leise, wirkt in seinen Auftritten emotionslos, langweilig gar. Doch er nimmt kein Blatt vor den Mund: «Regierungen gehen gegen Menschenrechtsaktivisten und -organisationen vor, hindern sie daran, mit der UNO zusammenzuarbeiten, drängen, ihnen die UNO-Akkreditierung zu entziehen.»
In einer Rede in den Niederlanden meinte er, dass dort, aber ebenso in Österreich, Frankreich, Ungarn oder den USA, Populisten Aufwind verspürten: «Ich werfe sie ganz bestimmt nicht in einen Topf mit islamistischen Terroristen. Aber sie bedienen sich zum Teil ähnlicher Taktiken: Lügen oder Fake-News verbreiten, Hass schüren, provozieren, ausgrenzen. Und es ist offensichtlich: Populisten und Terroristen profitieren voneinander.»
Als Zeid al-Hussein sein Amt antrat, freuten sich die Vertreter von Menschenrechts-Organisationen. Sie kannten den jordanischen Prinzen und Spitzendiplomaten als hervorragenden Anwalt, mit Diplomen aus Cambridge und der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität, vor allem aber als Kämpfer für den internationalen Strafgerichtshof. Er besass Erfahrung mit Friedenseinsätzen, schrieb den ersten kritischen Bericht über sexuelle Missbräuche durch Blauhelm-Soldaten, auch über die Missbräuche durch Soldaten aus seinem Heimatland Jordanien.
Keine Angst vor grossen Tieren
Es gab aber von Anfang an auch Kritiker. «Skandal», hiess es vereinzelt gar. Wie soll ausgerechnet ein Prinz aus dem wenig demokratischen Jordanien dieses Amt ausüben können, ein Vertreter der autokratischen arabischen Welt, der erste Muslim?
Diese Vorwürfe hat al-Hussein widerlegt. Und tut es immer und immer wieder. Dieser Tage etwa griff er als erster UNO-Spitzenfunktionär die Machthaber in Burma scharf an, sprach von völlig unverhältnismässiger Gewalt durch die Streitkräfte gegen die Rohingya. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zog später nach.
Der Jordanier kritisiert aber auch den von den USA gehätschelten ägyptischen Diktator Abdel al-Sisi und fordert eine Untersuchungskommission für Venezuela.
Ebenso wagt es der UNO-Hochkommissar, einflussreiche Mächte anzugreifen. Etwa die USA, wo völlig willkürlich Einwanderer eingesperrt oder ausgeschafft würden und wo Donald Trump mit seinen ständigen Angriffen auf die Medien die Pressefreiheit aushöhle. Oder sagt, der nach langer Haft verstorbene chinesische Dissident Liu Xiaobo sei eine Inspiration für China.
Migration als Menschenrecht
Und al-Hussein wendet sich gegen die Migrationsabkommen der EU mit Libyen. Zumal für ihn Migration zur menschlichen Existenz gehöre. Er geht fast so weit, die Ein- und Auswanderung, also das Recht zu leben, wo man wolle, als Menschenrecht zu bezeichnen.
All das missfällt vielen. Al-Hussein steht unter Druck. Seine Wiederwahl im kommenden Jahr als UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte ist keineswegs gesichert. Einige Regierungen versuchen, ihn zu ignorieren. Andere, in jüngster Zeit etwa das syrische Regime oder der türkische Präsident, greifen ihn frontal an.
Offenkundig ist der Haschemiten-Prinz auf dem richtigen Weg.