Damit hatte in Kopenhagen kaum jemand gerechnet: «Am 14. Januar danke ich ab und überlasse den Thron meinem Sohn Kronprinz Frederik», sagte die seit dem Tod von Queen Elizabeth II. dienstälteste Monarchin der Welt zum Ende ihrer traditionellen Neujahresansprache im Schloss Amalienborg. Und brach damit mit einer Tradition, an welche sich in der seit dem Jahr 968 bestehenden dänischen Monarchie bislang fast alle gehalten hatten: niemals freiwillig zurückzutreten.
Doch Königin Margrethe II. – im Volksmund kurz «Daisy» genannt – ist zeitlebens mit der Zeit gegangen. Sie wurde im April 1940 eine Woche nach dem Einmarsch von Hitlers Nazitruppen in Dänemark geboren und wurde unter anderem auf den isländischen Namen Þórhildur getauft: Bis zum entsprechenden Unabhängigkeitsreferendum vier Jahre später gehörte nämlich Island auch noch zum dänischen Königreich. Sie bildete sich zur Archäologin und Politikwissenschafterin aus und machte sich während ihrer langen Regentschaft als schaffende Künstlerin mit Bühnenbildern und Kostümen einen Namen.
EU-Beitritt und gleichgeschlechtliche Partnerschaft
Für die älteste von drei Töchtern des aus dem seit 1920 zu Deutschland gehörenden Südschleswig stammenden König Frederik IX. wurde in den 1950er-Jahren die Verfassung per Volksentscheid geändert, sodass erstmals eine Frau Thronfolgerin und Staatsoberhaupt werden konnte. 2009 stimmten die Däninnen und Dänen in einer weiteren Volksabstimmung – und auf Geheiss von Margrethe – für eine vollständig gleichberechtigte Thronfolge.
Über ein halbes Jahrhundert lang hat die kettenrauchende und keinen Drink verachtende Margrethe II. massgeblich zur Modernisierung des ältesten nordischen Königreiches beigetragen: Wenige Monate nach ihrer Amtsübernahme stimmten die Däninnen und Dänen der Mitgliedschaft in der damaligen Europäischen Gemeinschaft zu. 1989 war Dänemark das weltweit erste Land überhaupt, das gleichgeschlechtliche eingetragene Partnerschaften legalisierte – mit dem Segen aus Amalienborg.
Sohn Frederik muss sich erst noch bewähren
Margarethe II., die sich vor einem Jahr einer schweren Rückenoperation unterziehen musste, sorgte kürzlich mit einer ungewöhnlichen Massnahme für Aufsehen: Sie entzog den vier Kindern ihres zweitgeborenen Sohnes, Prinz Joachim, die königlichen Titel – und stärkte damit die Stellung ihres 55-jährigen Erstgeborenen. Dieser muss sich als baldiger König Frederik X. erst noch bewähren. Zuletzt sorgte der vierfache Vater mit ausserehelichen Eskapaden in Spanien für unrühmliche Schlagzeilen.
Doch mit ihrem historischen Schachzug in der Neujahresnacht nimmt nun «Daisy» nicht nur Kronzprinz Frederik in die Pflicht: 85 Prozent der Däninnen und Dänen befürworten – so zeigen Umfragen – die Fortführung der Monarchie. Auch in den nach staatlicher Unabhängigkeit strebenden früheren Kolonien, den Färöern und Grönland, geniesst die dänische Krone ein weitgehend ungetrübtes Ansehen. Mit ihrem Wirken in den letzten 52 Jahren hat Margarethe II. massgeblich dazu beigetragen.