In Rumänien liegt ein besonderes Kleinod: die grössten der europäischen Urwälder. Es sind Wälder, die der Mensch jahrtausendelang in Ruhe gelassen hat; Wälder, die besonders viel klimaschädigendes CO2 aufnehmen können. Doch diese Wälder werden immer weiter abgeholzt.
Zumindest die Schäfer freut es, dass der Wald verschwindet. Die Männer mit sonnengebräunter Haut treiben Schafe den Berg hoch, wie seit Jahrhunderten. Uralter, dichter Wald macht den Weg im Fogarascher Gebirge beschwerlich. Doch neuerdings gibt es hier Schneisen zwischen den Buchen und Fichten. Geschlagen hat man die Schneisen für die Holzindustrie, damit grosse Lastwagen im Wald fahren können.
Bäume werden im Dunkeln abtransportiert
«Man sieht auf Rumäniens Strassen viele solche Lastwagen, vor allem in der Nacht», sagt Umweltschützer Octavian Anghelescu. Viele nutzen den Schutz der Dunkelheit, um illegal geschlagenes Holz aus dem Wald zu bringen. Die Drohne, die er steigen lässt, übermittelt Bilder von einem kahlen, entwaldeten Bergtal. «Hier hat man sich an kein Gesetz gehalten, alle Bäume wurden gefällt.»
Wo eigentlich dichter geschützter Wald stehen müsste, ist eine Graswüste. Es gibt hunderte Hektaren voller grosser, verkohlter Strünke und abgerutschter Hänge.
Illegaler Holzschlag ist ein Problem in ganz Rumänien – eines, das viele Leute wütend macht. Viele haben schon dagegen demonstriert.
Mehr illegales als legales Holz
Gabi Paun ist Umweltschützer, seine Organisation heisst Agent Green. Er lebt im Ausland, in Rumänien hat er Morddrohungen erhalten. Am Mittwoch präsentiert er in Brüssel «schockierende Zahlen», wie er sagt.
In den letzten fünf Jahren sei noch mehr Wald illegal abgeholzt worden als zuvor. Inzwischen werde sogar mehr Holz illegal geschlagen als legal. Das hat er mithilfe der Zahlen des rumänischen Staats berechnet. «Wir reichen deshalb bei der Europäischen Kommission eine Klage gegen Rumänien ein», sagt Paun. Rumänien ist Mitglied der Europäischen Union und sei deshalb verpflichtet, die Abholzung zu stoppen.
Stattdessen aber plündere eine eigentliche Holzmafia die wertvollen Wälder – auch mit staatlicher Unterstützung. Gegen Geld erlaube beispielsweise der Förster, der Staatsangestellter ist, das Fällen geschützter Bäume.
Gesetze werden aufgeweicht
Erika Stanciu war bis 2016 rumänische Staatssekretärin und zuständig für Wälder. Sie kennt beide Seiten: die der Firmen, die Holz brauchen, und die der Umweltschützer. Früher hätten sich grosse Firmen aus Westeuropa am rumänischen Wald versündigt, das stimme. Jetzt aber gäben sich die Europäer mehr Mühe, sagt sie. Wenn Rumänien die Westler mit zu strengen Gesetzen vertreibe, kämen Chinesen und andere. Und denen seien Gesetze, Ethik und Umwelt egal.
Machtlos ist der Staat nicht, das hat Stanciu als Staatssekretärin bewiesen. Sie hat Entschädigungen für Waldbesitzer eingeführt, wenn sie ihre Bäume schützen. Sie hat auch ein System entworfen, mit dem sich die Herkunft jedes Baumstammes überprüfen lässt.
Wer auf der Strasse einem Holztransport begegnet, kann im Internet via Eingabe des Nummernschildes prüfen, ob der Transport legal ist. Falls nicht, kann dies direkt der Polizei gemeldet werden. Viele illegale Transporte wurden dank dem System entdeckt.
Neue Regierung schafft Meldesystem wieder ab
Bloss: Die neue rumänische Regierung, die 2016 an die Macht kam, hat die meisten dieser Neuerungen wieder abgeschafft. Das Meldesystem sei zu fehleranfällig, sagt sie. Nun will sie auch ganz jungen Wald nicht mehr vor den Sägen schützen.