Die italienischen Regierungsparteien Cinque Stelle und Lega waren sich von Anfang an uneins. Schon im Wahlkampf lehnten die Cinque Stelle grosse Bauprojekte rundweg ab. «Innerhalb von zwei Wochen» würden die Projekte gestoppt, schrie etwa der 5-Sterne-Politiker Alessandro Di Battista seinen Anhängern im Wahlkampf zu.
Er meinte damit die Gaspipeline durch die Adria, aber auch die neue Bahnlinie zwischen Genua und der Po-Ebene und ganz besonders den Basistunnel durch die Alpen von Lyon nach Turin.
Das Movimento Cinque Stelle ist im Widerstand gegen solche Mammut-Projekte gross geworden. Die Protestbewegung will lieber in kleinere Projekte näher bei den Leuten investieren: in Regionalbahnen, Tram- oder Buslinien.
Lega will Grossprojekte durchziehen
Ganz anders sieht das die Lega und ihr Chef Matteo Salvini. «Italien kann es sich nicht erlauben, isoliert zu bleiben», sagt er. Salvini denkt an die Bauindustrie, die den Tunnel durch die Westalpen noch so gerne bauen würde. Oder ans norditalienische Gewerbe, das gerne näher an interessante Märkte im Westen Europas heranrücken möchte.
Man war und ist sich uneins. Im Koalitionsvertrag hatten sich Cinque Stelle und Lega lediglich darauf geeinigt, eine Kosten-Nutzen-Analyse anfertigen zu lassen. Diese liegt jetzt vor. Massgeblich wurde sie von einem Professor verfasst, der den Cinque Stelle nahesteht. Wenig überraschend heisst es in der Studie denn auch, dass der 57 Kilometer lange Alpendurchstich viel koste und wenig bringe.
Das Milliardenprojekt bleibt blockiert
Andere Professoren freilich behaupten das exakte Gegenteil. Das alles heisst, dass das Projekt blockiert ist – und blockiert bleibt. Allerdings wurden bereits Milliarden Euro verbaut. Und die alte Eisenbahnlinie zwischen Turin und Lyon ist ein Sanierungsfall. Obendrein drohen die EU und Frankreich, die ebenfalls bereits Milliarden investiert haben, mit saftigen Entschädigungsforderungen.
Ein Kompromiss könnte darin bestehen, den Tunnel bloss in einer Minimalvariante zu bauen. Damit allerdings wären die Cinque Stelle viel zu weit weg von ihrer ursprünglichen Rhetorik: «In zwei Wochen stoppen wir alles.»
Bei der Regionalwahl in den Abruzzen blieben viele Cinque-Stelle-Wähler zu Hause, auch gemäss allen Umfragen ist die Basis zunehmend enttäuscht. Eine denkbar schlechte Voraussetzung für Kompromisse. Nicht nur zwischen Frankreich und Italien, auch zwischen Cinque Stelle und Lega erhebt sich ein riesiges Gebirge.