Alte Häuserblöcke säumen die Quartierstrasse, der weisse Verputz vom tropischen Klima zermürbt. Hier, in einem Vorort von Burmas Hauptstadt Yangon, wohnt Chit Su Win – alleine mit ihrer 3-jährigen Tochter. Sie ist die Frau des Reuters-Journalisten Kyaw Soe Oo. Er sitzt im Gefängnis.
Medikamente ins Gefängnis gebracht
Chit Su Win ist gerade von einem Besuch im Gefängnis zurückgekommen. Ihr Mann hustet – sie hat ihm Medikamente gebracht. Sonst gehe es ihm gesundheitlich gut. «Ich hätte nie gedacht, dass dieser Job gefährlich ist», sagt Chit Su Win. «Ich hätte nicht gedacht, dass er verhaftet wird.»
Kyaw Soe Oo und Wa Lone haben für Reuters über die Rohingya-Krise berichtet. Sie haben aufgedeckt, wie Soldaten der burmesischen Armee zehn Rohingya-Männer hingerichtet haben. Dafür sind sie nach dem «Official Secrets Act» – das Gesetz ist von 1923, noch aus der britischen Kolonialzeit – für sieben Jahre Gefängnis verurteilt worden.
Eine Falle gestellt
Die Polizei hat ihnen eine plumpe Falle gestellt: Sie hat den beiden Reportern spätabends Dokumente ausgehändigt und sie gleich danach dafür verhaftet. Auch der Prozess war eine Farce. Die Anwälte haben das Urteil weitergezogen.
«Journalisten müssen über Neuigkeiten berichten», sagt Chit Su Win. «Es ist egal, was für Nachrichten. Es gibt keine Kriterien, dass sie nur über dieses oder jenes schreiben sollen.» Sie und ihr Mann sind aus Sittwe, der Haupstadt des Rakhine-Staats im Nordwesten des Landes. Nun lebt sie hier in einer spartanischen Wohnung, in der Nähe des Insein-Gefängnises, wo Kyaw Soe Oo in einer Zelle sitzt.
Er ist ein wahrer Journalist, er sucht die Wahrheit.
Rote Linien für Journalisten in Burma
Der Fall von Wa Lone und Kyw Soe Oo hat international Schlagzeilen gemacht. Er ist aber nur einer von vielen. Zayar Hlaing ist Chefredaktor des Magazins Maw Kun und Mitglied des Presserats von Burma. Er spürt tagtäglich, wie die Arbeit als Journalist heikel geworden ist: Die Gerichtsfälle verbreiten Angst.
«Es gibt einen grossen Druck, nicht nur für die Journalisten, sondern auch für alle, die dazugehören», sagt er. «Zum Beispiel: Unsere Drucker, unsere Familien, unsere Freunde.»
Bis 2012 musste er noch jedes Wort, jeden Satz der Zensur-Behörde vorlegen, bevor er sie drucken durfte. «Am 20. August 2012 wurde sie abgeschafft», erinnert er sich, «ich werde diesen Tag nie vergessen.» Es folgte eine kurze Blütezeit der burmesischen Presse. Doch seit 2015 die NLD unter Aung San Suu Kyi an der Macht ist, häufen sie die Fälle, wo Politiker oder die Armee Journalisten vor Gericht zerren.
Ich hoffe unsere Tochter wird auch einmal Journalistin und sogar eine noch bessere als ihr Vater.
Heikle Themen, so erzählt Zayar Hlaing, sind: Rohingya-Krise, Religion und Glaube («sehr gefährlich, sehr heikel»), Militär und Armee, die zivile Regierung, Aung San Suu Kyi selbst, der Friedensprozess. «Das sind nur einige Beispiele», sagt er.
Rückschritt für die Demokratisierung Burmas
Die jetzige Regierung unter Aung San Suu Kyi gilt als überaltert, autoritär und lässt kaum Kritik zu. «Sie hören nie zu, weder den Medien noch den Parlamenten», sagt Zayar Hlaing. Anstatt transparent zu sein und ihre Arbeit zu erklären, würde sie Kritiker und Journalisten verklagen und verhaften lassen.
Doch Journalisten wie Zayar Hlaing und der nun verurteilte Kyaw Soe Oo glauben unerschütterlich an die Wichtigkeit einer freien Presse in einer künftigen Demokratie in Burma. Und sie wollen weiterschreiben.