Eine Ermittlungsgruppe der EU will führende Mitglieder der ehemaligen «Befreiungsarmee des Kosovo» (UCK) zur Zeit des Bürgerkriegs Ende der 1990er Jahre anklagen. Es gebe ausreichende Beweise für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, begründete Chefermittler und Sonderstaatsanwalt Clint Williamson am Dienstag in Brüssel diese Pläne.
Namen nannte er nicht, weil die Sonderkommission zwar Beweise für Kriegsverbrechen habe, aber noch kein Gericht, das die Anklagen verhandeln könnte, sagt SRF-Korrespondent Walter Müller in Belgrad.
Minderheiten der Serben und Roma gezielt verfolgt
Williamson machte aber klar, wofür bestimmte UCK-Leute bald vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden sollen: «Bestimmte Kreise innerhalb der UCK haben die Minderheitsbevölkerung der Serben und Roma gezielt verfolgt», sagte Williamson, nachdem seine Kommission während zweieinhalb Jahren Hunderte von Zeugen befragt hat. Es habe ethnische Säuberungen gegeben, Leute seien getötet, entführt und in illegale Lager in Kosovo und Albanien eingesperrt worden.
Zum Vorwurf, UCK-Leute hätten ihren Opfern Organe entnommen und zu Transplantations-Zwecken verkauft, sagte Williamson: Es gebe Beweise dafür, dass eine Handvoll Menschen Opfer dieses Verbrechens geworden seien.
Seine Kommission werde weiter mit aller Kraft nach Beweisen suchen, im Moment reichten diese aber – anders als bei den anderen Kriegsverbrechen – für eine Anklage noch nicht aus. Obwohl diese Ergebnisse nicht überraschend seien, brächten sie immerhin Klarheit, sagt Korrespondent Müller.
Vom UCK-Führer zum Regierungschef
Zahlreiche UCK-Führer sind inzwischen hochrangige Politiker im Kosovo. So auch der amtierende kosovarische Regierungschef Hashim Thaci. Ob es für ihn nun eng werde, sei schwierig zu sagen, sagt Müller. Er stehe unter Generalverdacht, ebenfalls schuldig zu sein, genauso wie andere Kosovo-Politiker, die vor 15 Jahren in der UCK-Führung waren.
Williamson beschuldigt sie, die UCK für ihre eigenen kriminellen Zwecke missbraucht zu haben. «Aus dem Schneider ist Thaci noch nicht, allerdings war er derjenige, der sich dafür stark gemacht hat, dass das Sondertribunal eingesetzt wird. Das könnte ein Hinweis sein, dass er sich sicher fühlt», sagt Müller.
Bericht hat Folgen für Regierungsbildung
Der Bericht der EU-Sonderermittler hat Konsequenzen für die Regierungsbildung in Kosovo, die seit den Wahlen vor sieben Wochen blockiert ist. Nun müssten die Parteien im Kosovo das Problem selber lösen, sagt Müller. «Hätte Williamson Namen genannt, hätten diese Politiker keine Chance mehr, an die Regierung zu kommen oder in der Politik zu bleiben.»
Thaci will für eine dritte Amtszeit Regierungschef bleiben. Seine Partei hat bei den Wahlen am meisten Stimmen bekommen. «Aber er hat keine Regierungsmehrheit, er steht alleine da», sagt Müller. Die Opposition wiederum verfüge über diese Regierungsmehrheit. Entscheiden muss nun das Verfassungsgericht von Kosovo.