Sebastian Kurz und sein Team haben intensiv an der perfekten Inszenierung gearbeitet. Nur eigene Fotos zulassen, einheitliche Wortwahl nach aussen, immer alles unter Kontrolle haben: «Message control» heisst das Zauberwort. Dafür hatte Kurz während seiner ersten Amtszeit als Bundeskanzler ein besonders grosses Kommunikationsteam.
Die Minister sollten nicht mehr individuell vor die Medien, sagt Kommunikationsexperte Moritz Eberl: «Bei den Koalitionen von SPÖ und ÖVP hat man sich noch ständig gegenseitig kritisiert. Sie waren Koalitionspartner und grösste Feinde. Man dachte immer nur an die nächste Wahl.»
Kurz hat aus New York angerufen, wenn ihm ein Kommentar nicht gefallen hat. Er wolle sich ja nicht einmischen, aber...
Interne Spannungen nicht nach aussen zu tragen, mag ein verständliches Ziel sein. Doch Kurz ging weiter, erzählt Helmut Brandstätter, ehemaliger Chefredakteur der bürgerlichen Zeitung Kurier. «Er hat aus New York angerufen, wenn ihm ein Kommentar nicht gefallen hat. Er wolle sich ja nicht einmischen, aber...»
Kurz' permanente Imagepflege sei verglichen mit anderen Regierungen sehr erstaunlich gewesen: «Es sollte nur ein Bild in der Öffentlichkeit entstehen: Das eines Mannes, der alles weiss, sich auskennt, alles im Griff hat.»
Und die Koalition übte massiven Druck aus. Brandstätter hat nach seinem Seitenwechsel in die Politik ein Buch über die letzte Regierung der Konservativen mit den Rechten geschrieben. «Die Truppe hat klargemacht: Wenn du unser Freund bist, kriegst du Informationen. Wenn nicht, bist du unser Feind.»
Geschichten seien pfannenfertig angeboten worden, schildert Brandstätter. Bei genauerem Hinsehen habe sich gezeigt, dass das so nicht stimme und man habe die Geschichte anders geschrieben: «Dann kam oft die Peitsche.»
Anrufe, «teils sehr boshafter Natur», wie sie Brandstätter nennt. Über die Eigentümer sei versucht worden, Druck auf ihn als Chefredaktor auszuüben. «Das muss man ertragen. Aber die Intensität, mit der Kurz und seine Leute vorgegangen sind, hat es früher nicht gegeben.»
Dabei ist Einflussnahme der Volksparteien SPÖ und ÖVP im kleinräumigen Österreich seit jeher ein Problem. Die Parteien hätten zwar immer eingegriffen bei Personalien und Inhalten, sagt Brandstätter: «Die Zeitungen wurden früher aber nicht derart bedroht.»
In Österreich würden jährlich über 100 Millionen Euro für Zeitungsinserate ausgegeben – vor allem vom Bund, aber auch von der Stadt Wien und den Bundesländern. Die Inserate seien zu einem guten Teil mit dem Auftrag verbunden, zu schreiben, was sich die Geldgeber wünschten, so Brandstätter.
Es ist Aufgabe und Recht der vierten Gewalt, Regierungen zu kontrollieren. Diese Aufgabe wurde vielen Medien nicht mehr ermöglicht.
Einer kritischen Journalistin hatte die ÖVP kurzerhand den Zugang zu einer Medienorientierung versperrt. Fragen waren meist nicht erlaubt – gegen diesen neuen Stil unter Kurz hatten die Parlamentsjournalisten öffentlich protestiert.
All das hält Eberl von der Uni Wien für fatal: «Es ist Aufgabe und Recht der vierten Gewalt, Regierungen zu kontrollieren. Diese Aufgabe wurde vielen Medien nicht mehr ermöglicht.» Demokratiepolitisch sei das fragwürdig, wenn nicht sogar beängstigend.
Für Politologe Anton Pelinka baut Demokratie auf der «Anerkennung von Vielfalt und Widersprüchlichkeit von Interessen und Meinungen auf.» «Message control» versuche diese Grundlage der Demokratie zurückzudrängen.
Gerade den Grünen sind unabhängige Medien ein zentrales Anliegen. Mehr noch: Ein nach aussen hin erkennbarer Pluralismus wird für die Juniorpartnerin in der neuen Regierung überlebenswichtig sein.