Das Wichtigste in Kürze
- Die deutsche Kanzlerin Merkel bekräftigt ihre bisherige Haltung im Ukraine-Konflikt.
- Unklar bleibt, wie sich die neue US-Regierung positionieren wird.
- In Kiew befürchtet man, zum blossen Spielball Trumps und Putins zu werden.
SRF News: Beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in Berlin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die bisherigen Beziehungen Deutschlands zur Ukraine bekräftigt. Wieso ist dieses Statement für Kiew so wichtig?
Kyryl Savin: In der Ukraine herrschte vor dem Treffen in Berlin grosse Unsicherheit, die Erwartungen waren eher negativ. Das Bekenntnis Merkels beruhigt die Gemüter nun zwar etwas, doch auch in der deutschen Regierung gibt es Vertreter, welche die Politik gegenüber Russland ändern möchten: So haben sowohl der neue Aussenminister Sigmar Gabriel, wie auch sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier – beide sind Sozialdemokraten – verschiedentlich gesagt, sie könnten sich vorstellen, die Sanktionen gegen Moskau, die wegen des russischen Engagements in der Ukraine verhängt wurden, auszusetzen. Noch mehr befürchtet man in Kiew aber, dass der neue US-Präsident Donald Trump die Politik der USA gegenüber der Ukraine ändern könnte.
Wie reagiert man in der Ukraine auf die Diskussion um ein mögliches Ende der westlichen Sanktionen gegen Russland?
Man befürchtet, dass Trump mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin einen Deal macht, der auf Kosten der Ukraine gehen könnte. Die Ukrainer fühlen sich seit längerem eher als Spielball der Grossen denn als handelndes Subjekt. Man befürchtet, dass mögliche Verhandlungen zwischen Trump und Putin ohne die Ukraine stattfinden werden: In einem grossen Deal um die Zukunft Syriens und die Bekämpfung des «Islamischen Staats» könnte die Ukraine zur blossen Tauschware verkommen. Hoffnungsvoll hat man in Kiew nun immerhin die Aussage von Trumps Pressesprecher Sean Spicer zur Kenntnis genommen, dass bezüglich der künftigen Haltung der neuen US-Regierung noch nichts entschieden sei. Bis auf Weiteres bleiben die Sanktionen gegen Russland also in Kraft.
In der Ukraine herrscht grosse Unsicherheit.
Die Ukraine erhält aus den USA militärische Hilfe. Wie wichtig ist diese für das Land?
Zwar liefern die USA keine offensiven Waffen an die Ukraine, doch erhält Kiew diverse Verteidigungssysteme. Noch wichtiger sind aber die amerikanischen Militärs in der Ukraine, welche die Soldaten ausbilden. Ausserdem erhält Kiew finanzielle Hilfe aus Washington. Falls sich Trump nun für einen Deal mit Moskau entscheidet, würde das alles wegfallen, die Ukraine würde quasi geopfert werden.
Bei einem Deal zwischen Trump und Putin könnte die Ukraine quasi geopfert werden.
Die Unterstützung in Deutschland und den USA für die Ukraine bröckelt also: Muss sich Kiew nach anderen Verbündeten umschauen?
Grundsätzlich eher ja, allerdings gibt es keine grosse Auswahl. Die Ukraine hält denn auch an ihrer bisherigen Aussenpolitik fest und vertraut dabei vor allem auf die EU und Deutschland. Gleichzeitig droht der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine erneut zu eskalieren. So gibt es Gerüchte, die ukrainische Armee bereite eine grosse Offensive auf die von Russland unterstützten Separatisten im Donbass vor. In der Ukraine herrscht derzeit grosse Unsicherheit.
Trotz der Unterstützung Deutschlands und Merkels bleibt die Lage in der Ukraine also unberechenbar?
Die Unsicherheit ist vor allem so gross, weil US-Präsident Trump seine Meinung ändern könnte. Noch ist nicht klar, wer in seinem Team für die Ukraine zuständig sein wird. Der bisherige Vizepräsident Joe Biden und Vize-Aussenministerin Victoria Nuland sind nicht mehr im Amt. Erst wenn klar ist, wer ihre Nachfolger werden, dürfte sich abzeichnen, welche Politik gegenüber der Ukraine Trump in Zukunft verfolgen wird.
Das Gespräch führte Claudia Weber.