Jetzt liegt er auf dem Tisch, der Mandatsentwurf der EU für die Post-Brexit-Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich: Die künftige Partnerschaft soll auf einem Abkommen beruhen, das neben der Wirtschafts- und der Sicherheits-Zusammenarbeit auch jene in weiteren Bereichen wie Bildung und Forschung umfasst.
Die Verhandlungen werden für die Schweiz von grösstem Interesse sein. Denn viele Fragen, die jetzt zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auf dem Verhandlungstisch liegen, dürften den Schweizerinnen und Schweizern äusserst bekannt vorkommen.
Inwiefern ähneln die Verhandlungsziele den bestehenden bilateralen Verträgen zwischen der EU und der Schweiz und dem geplanten Rahmenabkommen? Und wo gibt es Unterschiede?
- Während es mit der Schweiz mehr als 100 sektorielle Abkommen gibt, will sich die EU mit dem Vereinigten Königreich auf ein einziges umfassendes Abkommen einigen.
- Der Handel mit Industrieprodukten soll mit den Briten, wie mit den Schweizern, zollfrei sein. Während es aber mit dem Vereinigten Königreich keine vollständige gegenseitige Anerkennung von Produktestandards geben soll, existiert mit der Schweiz zu diesem Zweck das sogenannte Abkommen über technische Handelshemmnisse (MRA).
- Zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich soll es ausserdem keine uneingeschränkte Personenfreizügigkeit geben. Die eigenständige Kontrolle über die Einwanderung aus EU-Ländern hatte der britische Premierminister zur wichtigsten roten Linie erklärt.
- Wie in den Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der Schweiz besteht die EU auch gegenüber dem Vereinigten Königreich auf gemeinsamen Wettbewerbsregeln, zum Beispiel wenn es um Subventionen geht.
- Und für das künftige Abkommen mit den Briten soll ausserdem gelten, was auch im Rahmenabkommen verankert ist: Wo sich die Abkommenstexte auf EU-Recht berufen, soll der oberste EU-Gerichtshof in Streitfällen das letzte Wort haben.
- Der Zugang zu den Finanzmärkten der 27 EU-Staaten soll britischen Finanzdienstleistern unilateral mittels sogenannter Gleichwertigkeitsanerkennungen gewährt und nicht im Abkommen verankert werden. Zur Erinnerung: Die EU hatte der Schweizer Börse im Juni die Gleichwertigkeit aberkannt, um Druck auf den Bundesrat in den Verhandlungen übers Rahmenabkommen auszuüben.
Vereinfacht gesagt: Die künftige Zusammenarbeit der EU mit dem Vereinigten Königreich soll breiter, aber weniger tief sein als jene mit der Schweiz. Während Brüssel und London zum Beispiel auch bei der Fischerei, den Geheimdiensten und in der Aussenpolitik kooperieren würden, ginge die Zusammenarbeit in den Kernbereichen Warenhandel und Personenfreizügigkeit weniger weit.
Allerdings: Von einem tatsächlichen Abkommen mit dem Vereinigten Königreich ist die EU noch sehr, sehr weit entfernt. Noch wurde keine einzige Stunde verhandelt. Noch ist die Zeit der Ansagen und Maximalforderungen.
Wie der «Future Deal» zwischen Brüssel und London am Ende tatsächlich aussieht, wird frühestens Ende Jahr bekannt sein – dann sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Auch in der Schweiz steigt bis dahin die Spannung.
Tagesschau, 03.02.2020, 12:45 Uhr