«Bon vivant» aus Natur, eine Statur, die nichts umwerfen konnte. Das war Jacques Chirac. Und ein Wirbelwind, der alles in seinem Leben seinen persönlichen, politischen Ambitionen unterordnete.
Teil dieser Ambitionen war immer auch Bernadette Chirac, seine Frau. «Wir haben nicht nur aus Liebe geheiratet. Ich kannte seine Ambitionen und wollte mit diesem Jungen etwas Ausserordentliches erreichen. Ich spürte, dass er das Zeug dazu hatte», sagte sie einmal in einem Dokumentarfilm.
Chirac war auch einer, der immer Hunger hatte. Unersättlich war er in seiner Suche nach Anerkennung in den Herzen vieler Frauen und nach Macht und Einfluss in der französischen Politik. So beschrieb ihn Bernadette Chirac. «Er drängte sich immer und überall in die Mitte einer Gruppe.»
Populär war der Politiker Chirac bei seinem Wahlvolk allerdings nie. In all seinen Ämtern. Vielleicht lag es an diesem grossen Hunger nach Macht. Er diente de Gaulle als Staatssekretär, war Minister unter Pompidou, Premier unter Giscard d'Estaing und schliesslich als Premierminister unter seinem grössten poltischen Rivalen François Mitterand.
Ich habe die Nachricht verstanden. Nun zähle ich auf alle, dass wir die Werte der Republik verteidigen können.
Chirac hatte in seinem Parlament eine Mehrheit, der präsidiale Monarch Mitterand liess ihn aber immer wieder ins Leere laufen. Etwa bei den Präsidentschaftswahlen 1988, als sich beide ein Fernsehduell lieferten, das Geschichte schrieb. Chirac forderte eine Debatte unter gleichwertigen Kandidaten, Mitterand blieb sich treu.
Chirac und die Mächtigen der Welt
Monsieur Président bescherte Monsieur Le Premier ministre ein politisches Debakel im zweiten Wahlgang und einen Platz in der Opposition. Schon wieder. Erst 1995 – im dritten Anlauf – wurde Chirac zum Präsidenten Frankreichs gewählt. Um politisch gleich wieder in Ungnade zu fallen. Affären holten ihn ein.
Unrühmliche Premiere
Als Stadtpräsident von Paris hatte er fiktive Beamte angestellt, um Geld für die von ihm gegründete Partei RPR abzuzweigen. Das machte ihn später zum ersten Präsidenten, der von einem Gericht nach Ende seiner Amtszeit wegen illegaler Parteifinanzierung verurteilt wurde.
Ebenso spektakulär: Seine Wiederwahl 2002 als Präsident mit 82 Prozent aller Stimmen im zweiten Wahlgang. Der erste Wahlgang hatte freilich für ein politisches Erdbeben gesorgt: Jean-Marie Le Pen vom Front National landete hinter Chirac auf dem zweiten Platz.
Schicksalswahl gegen Le Pen
Mit vereinten Kräften wählten daraufhin linke und rechte Wähler das kleinere Übel: Jacques Chirac. «Ich habe die Nachricht verstanden. Nun zähle ich auf alle, dass wir die Werte der Republik verteidigen können», verkündete er nach seinem Wahlsieg.
Als Präsident gelang Chirac nicht viel. Er liess sein Volk über die EU-Verfassung abstimmen und erlitt Schiffbruch. Und er musste den politischen Aufstieg von Innenminister Nicolas Sarkozy erdulden. Dieser überliess dem Präsidenten nur noch die Rolle des Landesvaters. Politisch verblasste der Stern Chirac also. Der Mensch Chirac, Humanist aus tiefstem Herzen, gewann an Glanz.
Nichts könnte das besser zum Ausdruck bringen als sein Vermächtnis mitten in Paris: Das Musée du Quai Branly, das auch Musée Jacques Chirac heisst. Darin liess Chirac die reiche Kunst und Zivilisation inszenieren, mit welcher Menschen aus den ehemaligen Kolonialgebieten das kulturelle Erbe bereichern, seit Jahrhunderten.
Es war der Mensch, nicht der Politiker Jacques Chirac, der sich da gegen alle Widerstände durchsetzte.