Kuba wird von Krisen geschüttelt – ständige Stromausfälle, ein Hurrikan und die schwerste Wirtschaftskrise seit den 1990er-Jahren. Ausgerechnet in dieser schwierigen Zeit beendet die Schweiz bald ihre Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba. Welche Folgen das für die Karibikinsel hat, weiss Markus Glatz, Leiter der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) in Havanna.
SRF News: Wie ist die aktuelle Situation bei Ihnen in Havanna?
Markus Glatz: Wir haben seit fünf Tagen mehr oder weniger wieder Strom. Die Stromversorgung wird momentan von der zentralen Elektrizitätswerk-Gesellschaft reguliert. Ein Plan legt fest, wann und wie lange in welchem Viertel Strom verfügbar ist. Die Probleme werden sich häufen, denn die kubanischen Kraftwerke stammen noch aus der Sowjetzeit und sind veraltet.
Ein nachhaltiger Betrieb des Stromnetzes ist kaum mehr möglich – der nächste Blackout ist nur eine Frage der Zeit.
Wartungen wurden über Jahre hinweg vernachlässigt und gestalten sich mittlerweile schwierig. Die Techniker und Ingenieure, die das alte System betreuen könnten, sind entweder verstorben oder ins Ausland abgewandert. Ein nachhaltiger Betrieb ist somit kaum mehr möglich – der nächste Blackout ist nur eine Frage der Zeit.
Das Parlament hat vor vier Jahren beschlossen, die Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba auf Ende 2024 zu beenden. Obwohl dieser Entscheid schon vor längerem gefällt wurde, scheint der Zeitpunkt angesichts der aktuellen Situation in Kuba ungünstig. Schmerzt Sie das?
Ja, das ist schmerzlich. Vor allem in Anbetracht der positiven Ergebnisse, die wir in den letzten 25 Jahren erzielt haben. Gerade jetzt bräuchte Kuba mehr Unterstützung. Die anhaltende Wirtschaftskrise hat die Armut verschärft, und mit unserem Modell der lokalen Entwicklungszusammenarbeit hätten wir sicher weitere positive Wirkungen erzielen können.
Was genau ist die lokale Entwicklungszusammenarbeit, von der Sie sprechen?
In Havanna haben wir zum Beispiel in einem heruntergekommenen Stadtteil Aufbauarbeit geleistet. Das heisst, wir haben die Bevölkerung dabei unterstützt, ihre Häuser zu renovieren, wir haben eine Gesundheitsstation eingerichtet und wir haben dafür gesorgt, dass die Menschen vor Ort auch eine berufliche Perspektive in ihrem Viertel haben. Das ist für mich lokale Entwicklungszusammenarbeit.
Starke Provinzregierungen sind ein wichtiger Motor für die Gesamtentwicklung des Landes.
Wir unterstützen die Gemeinden und Provinzregierungen dabei, eigenständige Entscheidungen zu treffen und unterstützen sie bei der Umsetzung. In einem zentralistischen Staat sind starke Provinzregierungen umso wichtiger, da sie ein wichtiger Motor für die Gesamtentwicklung des Landes sind.
Wenn die finanzielle Unterstützung der Schweiz Ende Jahr ausläuft, welche Wirkung haben solche Projekte dann noch?
Bei der Abschlussveranstaltung der Deza hier in Kuba haben wir gezeigt, dass die meisten unserer Projekte nachhaltig sind. Das liegt daran, dass wir sie überwiegend in Kooperation mit nationalen und lokalen Partnern aufgebaut haben. Diese Projekte sind heute selbsttragend und können von den nationalen Partnern eigenständig fortgeführt werden. Darüber hinaus haben andere internationale Entwicklungsagenturen und NGOs Interesse an unseren Projekten gezeigt und setzen einige davon fort.
Das Gespräch führte David Karasek.