Was hat Macron bisher erreicht? Der französische Präsident hat im ersten Amtsjahr einige seiner Versprechen aus dem Wahlkampf umgesetzt: Er hat das Arbeitsrecht liberalisiert, die Reichensteuer abgeschafft und eine Bahnreform durchgesetzt – dies gegen entschiedenen Widerstand der Gewerkschaften.
Seit vergangenem Sommer hat er sich allerdings weitgehend mit Krisenmanagement beschäftigen müssen – etwa, weil ein ehemaliger Mitarbeiter Macrons am 1. Mai auf Demonstranten eingeschlagen hatte. Die soziale Protestbewegung der «Gilets Jaunes» hat Macron gebremst und zu Konzessionen gezwungen. Das hat Auswirkungen auf die Budget-Politik. Dem Präsidenten wird denn auch vorgeworfen, er habe sich mit zehn Milliarden Euro eine Art sozialen Frieden erkauft.
Hat er die Krise ausgestanden? Momentan sieht es danach aus. Die Gelbwesten-Proteste sind abgeklungen, die Kaufkraft hat durch das 10-Milliarden-Paket wieder zugenommen, der französischen Wirtschaft geht es wieder besser. Bei der Europawahl hat Macron zwar das ursprüngliche Ziel verpasst: Das rechte Rassemblement National von Marine Le Pen bleibt die grösste französische Gruppe im EU-Parlament.
Die Partei des Präsidenten hat zwar Wähler auf der linken Seite verloren, dafür hat sie viele enttäuschte Wähler der Republikaner gewonnen. Gewinne und Verluste halten sich in etwa die Waage.
Welche Reformprojekte stehen nun an? Auf der Agenda stehen ein Gesetz über künstliche Fortpflanzung oder die lange angekündigte Reform des Gesundheitswesens. Auch eine Sanierung der Notfallmedizin wäre dringend nötig. Fällig ist zudem die Reform des komplizierten Rentensystems.
In all diesen Projekten liegt viel sozialer Sprengstoff. Die Entscheide der Regierung werden wieder zu Konflikten führen und Macron wird nun zeigen müssen, dass er damit besser umgehen kann als im vergangenen Jahr. Der Lackmustest für den Präsidenten wird die Klimapolitik sein: Er will sie ins Zentrum stellen, hat aber bisher wenige Versprechen eingelöst.
Konnte der Präsident sein Imageproblem lösen? Macron hat versucht, sich fassbarer zu machen. In der nationalen Debatte hat er gezeigt, dass er auch zuhören und mit Leuten umgehen kann. Aber er zeigt auch, dass er stundenlang über Details referieren kann. Laut französischen Medien will er dieses Bild wieder etwas korrigieren: Er will sich in Zukunft etwas mehr zurücknehmen, dafür sollen der Premierminister und seine Regierung mehr Raum auf der Bühne bekommen.
Die Krise im vergangenen Jahr dürfte den Theoretiker Macron auf den Boden der Realität gebracht haben. Nun wird er sich beherrschen müssen, damit er nicht wieder abhebt.