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Zwiebelkrise in der Türkei Mit Polizei gegen Gemüsehändler

Der Zwiebelpreis in der Türkei hat sich verdreifacht. Ein grosses Problem für die Regierung – denn bald sind Wahlen.

Türkei in der Zwiebelkrise: In der türkischen Küche spielt die Zwiebel eine wichtige Rolle. Jeden Tag und für praktisch jedes Gericht wird das Gemüse verkocht. Die Verdreifachung des Zwiebelpreises seit Anfang Jahr sorgt im Land deshalb für grossen Unmut. «Das macht die Leute sauer», sagt Thomas Seibert. Der deutsche Journalist lebt in Istanbul.

Schlechtes Zwiebelwetter: Gründe für die Preissteigerung gibt es viele. So fiel die Ernte infolge überdurchschnittlicher Regenmengen während des Sommers schlecht aus. Teilweise sind die Zwiebeln sogar in den Lagerhäusern verfault. Ausserdem gibt es Zwischenhändler, die offenbar versuchen, aus der Zwiebelknappheit ein Geschäft zu machen. Und: «In der Türkei herrscht derzeit mit 25 Prozent die höchste Inflationsrate seit 15 Jahren – das schlägt sich auch im Preis für die Zwiebeln nieder», so Seibert.

Ein Symptom der Krise: Die Türkei steckt in einer Wirtschaftskrise – das dürfte einer der Hauptgründe für die Zwiebelkrise sein. So hat die türkische Lira gegenüber dem Dollar im laufenden Jahr um bis zu 40 Prozent an Wert verloren. Neben der rekordhohen Inflation steigt die Arbeitslosigkeit, viele Firmen gehen Pleite. «All diese Probleme kristallisieren sich in der Zwiebel», sagt Seibert.

Der Präsident greift ein: Mit unkonventionellen Massnahmen versucht Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Zwiebelkrise im Land Herr zu werden. Er hat die Polizei zu Razzien bei angeblich «verbrecherischen» Zwiebel-Grosshändlern losgeschickt. Diese seien allein Schuld für die Preissteigerung, wirft ihnen Erdogan vor. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass die Händler keineswegs an der Verteuerung der Zwiebeln allein schuldig sind.

Ein gefundenes Fressen für Erdogan-Kritiker: Während die Erdogan-Anhänger dem Präsidenten applaudieren und sein Vorgehen unterstützen, sind sehr viele Türken gegenüber den von der Regierung ergriffenen, vor allem medienwirksamen Massnahmen kritisch eingestellt. «Im Internet und in den sozialen Medien gibt es viel Hohn und Spott», sagt Journalist Seibert. So gebe es dort Darstellungen von Zwiebeln, die wie Verbrecher abgeführt werden. Andere fragen sich auf Twitter, wie lange es noch gehe, bis die Zwiebel von Erdogan des Terrorismus' bezichtigt würden.

Bald stehen Wahlen an: Im kommenden März finden Kommunalwahlen statt. Angesichts der schlechten Wirtschaftslage könnte es für Erdogan und seine Partei AKP schwierig werden, die grossen Städte wie Istanbul und Ankara zu halten. «Die Stimmung im Land ist nicht besonders gut», stellt Seibert fest. Laut Umfragen sähen drei von vier Türken ihr Land in einer Krise – dies im Gegensatz zu Erdogan, der von einer «kerngesunden Wirtschaft» spreche. Ausserdem gebe es bis März keine neue Zwiebelernte. Deshalb könnte sich die Zwiebelkrise für den Präsidenten durchaus zu einem grösseren Problem entwickeln.

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