Klassische Musik dröhnt aus dem kleinen Lautsprecher der roten Eisenbahn auf dem Campus von Huawei. Sie fährt vorbei an europäischen Häusern, einem künstlichen See mit schwarzen Schwänen – und an Universitätsstädten wie Freiburg, Heidelberg oder Verona. Chinesinnen und Chinesen posieren für Fotos – so wie auf einer Rundreise durch Europa.
Dabei befinden sie sich hier nicht in Europa, sondern im subtropischen Dongguan, eine Autostunde entfernt von der Metropole Shenzhen.
Gekostet haben soll der Campus «Ox Horn» umgerechnet 1.5 Milliarden Franken. Ausgerechnet die alten europäischen Bauten beherbergen die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Huawei. Journalisten sehen deshalb nur an die Fassaden heran. Was sich dahinter abspielt, bleibt geheim.
Dafür führen Huawei-Mitarbeiter die Journalisten durch die Herstellungshalle für Smartphones. Auf der 120 Meter langen Produktionsstrasse setzen flinke Roboterarme Handys zusammen. Die Produktion ist zum grössten Teil automatisiert.
An der Decke hängt ein rotes Transparent. «Wir produzieren jeden Tag die besten Handys der Welt», steht da drauf. Dabei macht Huawei viel mehr als nur Smartphones. Der Konzern ist auch der weltweit grösste Netzwerk-Ausrüster und investiert gross in die 5G-Technologie.
Auf riesigen Bildschirmen zeigt die Firma, wie sich etwa Lastwagen und Bagger in chinesischen Minen dank 5G fernsteuern lassen – oder wie eine Kamera mit künstlicher Intelligenz auf einem Bild bis zu 200 Gesichter identifizieren und zuordnen kann. Auch liesse sich am Gang und den Bewegungen von Personen zum Beispiel erkennen, ob es ihnen gesundheitlich gut gehe, erklären Huawei-Mitarbeiter, die voller Stolz durch die Ausstellung führen.
Der Spionage-Vorwurf
Fast könnte man vergessen, was dem Konzern vorgeworfen wird: Die USA bezichtigen Huawei der Spionage. Wer mit dem chinesischen Konzern beim Aufbau des 5-G-Netzes zusammenarbeite, warnt die US-Regierung, riskiere, vom chinesischen Staat überwacht zu werden.
Ein Vorwurf, den Huawei weit von sich weist: «Es gibt keine Beweise gegen Huawei, dass Hintertüren existierten oder wir uns sonst nicht richtig verhalten würden im Netzwerk-Geschäft», sagt Glenn Schloss. Der Australier ist Vize-Präsident der Unternehmenskommunikation von Huawei – und hier, um die Fragen der angereisten Journalisten zu beantworten.
Huawei sei eben kein Staatskonzern, sondern ein privates Unternehmen, das seinen Hauptsitz in China habe. Doch: Was, wenn die chinesische Regierung von Huawei die Herausgabe von sensiblen Daten aus dem Ausland verlangen würde? In China können Staat und Partei auch auf private Firmen grossen Einfluss ausüben. Müsste Huawei nicht mit den Behörden zusammenarbeiten und Daten herausrücken?
Glenn Schloss winkt ab: «Das wäre unternehmerischer Selbstmord. Huawei würde erwischt werden. Wir sind das am meisten geprüfte und untersuchte Unternehmen der Welt. Wenn irgendjemand hier versuchen würde, etwas Illegales zu tun, dann würde das rauskommen.»
Und Huawei-Gründer Ren Zhengfei doppelt nach – vor den angereisten Journalisten weist er jegliche Vorwürfe zurück: «Wir können allen Regierungen der Welt ein Versprechen abgeben. Wir verkaufen unsere Produkte an die Telekom-Betreiber. Sie sind es, die die Daten verwalten. Wir selbst halten uns an die Gesetze in den Ländern, in denen wir tätig sind – sonst könnten wir doch gar nicht überleben.»
Die Kunden, sagt Ren, würden weiterhin auf Huawei setzen: «In den 30 Jahren Kundenbeziehungen haben wir ein sehr gutes Vertrauen aufgebaut. Jetzt versuchen US-Politiker, andere Staaten zu drängen, ihre Beziehungen mit uns aufzugeben. Trotzdem bestehen Telekombetreiber immer noch darauf, unsere Produkte zu kaufen.»
Ren Zhengfei gibt sich kämpferisch. Es ist dieser Kampfgeist, der auch bei den Mitarbeitern zu spüren ist. Etwa, indem den angereisten Journalisten gleich mehrmals ein Foto gezeigt wird. Darauf ist ein sowjetisches Kampfflugzeug zu sehen. Die Maschine ist durchlöchert, und doch fliegt sie weiter. Darunter steht der Spruch: «Helden werden nicht geboren, sondern gemacht.»