Nachdem das Regionaljournal Basel gestern aufgedeckt hatte, dass ein Arzt der Invalidenversicherung versucht hat, doppelt zu kassieren - sowohl als Angestellter der IV als auch als privater Quasi-Gutachter - kommt jetzt auch die IV-Stelle des Kantons Aargau in die Kritik - aus den eigenen Reihen sogar. Diese Kritik äussert ausgerechnet Philippe Macherel, ehemaliger und langjähriger Chef der IV-Ärtzinnen und -Ärzte der beiden Basel.
Regionaljournal Basel: Philippe Macherel, wie haben Sie reagiert, als Sie gestern im Regionaljournal gehört haben, dass ein IV-Arzt versucht hat, doppelt zu kassieren?
Ich war entsetzt. Das geht überhaupt nicht. Denn diese Stellungnahmen, die man als Arzt am Regionalen Ärztlichen Dienst verfasst, die gehen an die IV-Stelle und an niemand anders.
In vorliegenden Fall untersuchte der IV-Arzt einen Patienten als Angestellter der IV und hat dann später quasi noch als Privater ein Gutachten nachgereicht, wofür er sich noch ein Honorar wünschte. Was ist problematisch daran?
Problematisch ist, dass man für die IV arbeitet, dass man dort angestellt ist, und dass man verpflichtet ist, was man bei einer Untersuchung feststellt und sieht, dass man dies nicht nach Aussen trägt. Kommt dazu: Man arbeitet für die IV und hat kein Recht, dieselben Daten für eine andere Versicherung zu verwerten, in diesem Fall für die Unfallversicherung Suva.
Sie waren selbst fast zehn Jahre lang Chef der IV-Ärzte der beiden Basel. Die IV-Stelle Aarau regierte auf den Vorfall und verwarnte den Angestellten, nachdem man vom Regionaljournal Basel von diesem Vorfall erfahren hatte.
Die Reaktion der IV-Stelle schockierte mich genauso wie der Vorfall selbst. Als Arzt hat man eine absolute Vertrauensposition. Zu versuchen, doppelt zu kassieren als Arzt, das ist geeignet, das Ansehen der IV-Stelle Aargau zu untergraben. Wenn man sich so verhält und nur verwarnt wird, dann möchte ich nicht bei einem solchen Arbeitgeber arbeiten, der quasi sagt 'ja, ja, du hast einen Mist gebaut, aber es ist nicht so schlimm'.
Was hätten Sie als IV-Chef denn gemacht, wenn ein solcher Fall bei Ihren IV-Ärzten aufgeflogen wäre?
Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter sich so verhalten hätte, hätte ich von der IV-Leitung verlangt, dass man diesen Kollegen sofort freistellt. Denn das Vertrauensverhältnis von mir als Leiter zu diesem Kollegen wäre dermassen gestört gewesen, dass ich nicht mehr mit ihm hätte zusammenarbeiten können.
Das heisst also, sie hätten ihm letztlich gekündigt?
Ja.