1987 ging als «Heisser Herbst» in die Geschichte ein. Nicht wegen spätsommerlicher Temperaturen, sondern wegen Jugendlichen, die auf der Strasse lautstark Freiraum forderten. Am 24. Oktober besetzten die Jugendlichen die leerstehende Reitschule, die von der Polizei gleich wieder geräumt wurde.
Gleichzeitig solidarisierten sich die Jungen mit den Bewohnern der Hüttensiedlung Zaffaraya, als diese von der Polizei geräumt wurde. Nach der Räumung entstand eine Protestbewegung, die in einer Grossdemonstration von 10'000 Menschen gipfelte.
Man muss sich vorstellen, 400 Punks marschieren in einen Laden und wollen sich beraten lassen. Die haben kapituliert.
Zudem protestierten einige hundert Jugendliche friedlich für die Errichtung eines autonomen Jugendzentrums, indem sie den Abendverkauf in Berner Geschäften störten. «Man muss sich vorstellen, 400 Punks marschieren in einen Laden und wollen sich beraten lassen. Die haben kapituliert», erinnert sich Endo Anaconda, Sänger von Stiller Has.
Das kulturelle Klima in Bern war vergleichbar mit Pyöngjang.
Er war an vorderster Front dabei vor 30 Jahren. Es habe damals kein Angebot für Junge gegeben, sagt er. «Das kulturelle Klima in Bern war vergleichbar mit Pyöngjang.» Schliesslich gab die Stadt nach und Ende 1987 wurde die Reitschule definitiv eröffnet.
Gewalt überschattet Kulturbetrieb
Die Reitschule hat sich in den letzten 30 Jahren mit ihrem breiten Angebot an Konzerten, Parties, Theater oder Kino fest im Berner Kulturleben integriert. Von vielen wird sie als der grösste Berner Jugendclub bezeichnet. Tausende Jugendliche verbringen auf dem Vorplatz der Reitschule ihr Wochenende.
Doch der Kulturbetrieb wird immer wieder von Problemen mit Drogen und Gewalt überschattet. Der Handel und Konsum von Drogen, gewaltbereite Chaoten, die sich im Innern der Reitschule verstecken und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Diese Themen prägen die politische Debatte seit Jahren.
Die Kultur sei nur ein Deckmantel, sagen die Gegner der Reitschule. Sie werfen der Reitschule vor, gewaltbereiten Chaoten Unterschlupf zu gewähren. «Wir fordern, dass sich die Reitschüler nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten von der Gewalt distanzieren», sagt etwa Rudolf Friedli, Präsident der Stadtberner SVP.
Sechste Abstimmung steht bevor
Auch Sympathisanten und Befürworter der Reitschule sehen die Gewalt – und Drogenproblematik und stören sich daran. So auch der grüne Stadtrat Manuel C. Widmer, der früher in der Reitschule gekocht hat: «Ich habe immer noch viel Sympathie für die Reitschule, insbesondere den kulturellen Betrieb. Aber das Gewaltpotential und die Drogenproblematik müsste man von der Reitschule wegbringen.»
Ob Schandfleck oder Chance – Berner Politiker mögen sich nicht einig sein, die Stimmbevölkerung hat in bisher fünf Abstimmungen immer zu Gunsten des Kulturzentrums entschieden. Bald steht die sechste Abstimmung an: die SVP hat gegen einen Kredit zur Sanierung der Grossen Halle das Referendum ergriffen.