«Achtung, Feuer!», warnen die Soldaten. Minenwerfer-Salven sind zu hören. Späher geben die Zielkoordinaten an die Kanoniere durch und der Schulkommandant kontrolliert, ob die Soldaten das Gelernte korrekt umsetzen.
Die Soldaten der Infanterieschule 12 in Chur tragen grüne Tarnkleidung – und weisse Schutzmasken unter dem Helm. In Youtube-Videos zeigt die Armee, wie sie die Schweiz vor dem imaginären Feind schützt – und ihre Soldaten vor dem realen Virus.
Die Pandemie ist allgegenwärtig im Feld. Und bringt das Dilemma auf den Punkt: Sind wir als Land auf die richtigen, auf die wahrscheinlichen Risiken und Bedrohungen vorbereitet?
Im VBS gibt es eine Fachstelle, die die Gesamtbreite aller möglichen Risiken im Auge hat. «Wir haben zwei sehr hohe Risiken», sagt Stefan Brem. Er leitet die Risikoanalyse und Forschungskooperation im Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs). Das eine Risiko ist die Strommangellage – ein flächendeckender Stromausfall über mehrere Tage oder Wochen.
Das andere hohe Risiko ist die Pandemie, so wie sie in diesem Jahr auch eingetreten ist. Bei der Pandemie rechnet das Babs auch mit einer Häufigkeit von 60 Jahren und einer Schadenssumme von 80 Milliarden Franken.
Die Risikoanalyse wolle Ordnung schaffen, sagt Brem. Die genannten Risiken gehörten in verschiedene Zuständigkeitsgebiete. Mit einer einheitlichen Methodik können diese bewertet und auch vergleichbar gemacht werden.
Die Risikoanalyse wolle aber keine Voraussage oder Prognose sein, sagt Brem. Sie diene als Entscheidungsgrundlage für die Politik. «Sie kann entscheiden, wo sie Prioritäten setzen möchte, um auch die Risiken mit entsprechenden Massnahmen zu reduzieren.»
Der Bund bewertet auch gesellschaftliche Risiken mit Gewaltpotential, wie zum Beispiel Unruhen, Terroranschläge mit atomaren, biologischen oder chemischen Substanzen und Cyberangriffe.
Diese «mutwillig herbeigeführten Risiken» werden aber mit einer anderen Methodik untersucht. Ihnen fehlt eine technische oder naturgegebene Regelmässigkeit. Darum wird die Plausibilität bewertet – wie plausibel ein Anschlag oder ein Cyberangriff ist. Dazu gehört die Organisationsfähigkeit einer möglichen Tätergruppe oder auch die technische Machbarkeit.
Diese separate Einschätzung kam 2015 zum Schluss, dass zum Beispiel ein Cyberangriff plausibler ist als ein Anschlag mit gefährlichen Substanzen. Was auffällt, der konventionelle Krieg fehlt im Risikobericht. Brem verweist darauf, dass sich das Babs hauptsächlich mit Katastrophen und Notlagen in der Schweiz beschäftigt.
Der Bund hat aber in anderen Berichten Stellung zur militärischen Bedrohung genommen. So wird das Szenario eines bewaffneten Angriffs auf die Schweiz im letzten sicherheitspolitischen Bericht von 2016 als wenig wahrscheinlich eingestuft. Gleichzeitig betont der Bund, erhöhten sich die Spannungen zwischen dem Westen, Russland und auch China.
Braucht es mehr Masken und weniger Minenwerfer zum Schutz des Landes, oder beides? Die Risikoanalyse des Bundes zeigt; Man kann Risiken einschätzen und gewichten. Und ein Land kann sich auf die Bedrohungen vorbereiten. Aktuell bedrohen nicht-militärische Gefahren die Schweiz eher als militärische. Trotzdem kann man diese nicht ausschliessen. Es bleibt eine politische Entscheidung, wo man die Bedrohungen sieht und finanziell die Prioritäten setzen will.