Unterwasser im St. Galler Toggenburg: Im Herbst vor zwei Jahren trafen sich hier über 5000 Rechtsradikale aus halb Europa zu einem Konzert. Hitlergrüsse waren zu sehen, Sieg-Heil-Rufe zu hören. Die Schweiz war schockiert.
Wie konnte das passieren? Die Polizei war über den Anlass nicht informiert und musste sich auf die Verkehrsregelung und die Beobachtung rund um den Veranstaltungsort beschränken. Kritisiert wurde deshalb der St. Galler Polizeidirektor Fredy Fässler; mit der Aufforderung, ein Gesetz auszuarbeiten, um extremistische Veranstaltungen künftig verbieten zu können.
Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein wichtiges Gut
Das war ganz im Sinne des SP-Regierungsrates. Fässler sagt: «Wir wollen keine derartigen Veranstaltungen in unserem Kanton.» Nun liegt der Entwurf für ein solches Veranstaltungsverbot vor. Darin heisst es:
Die Durchführung einer Veranstaltung, die nicht mit der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung vereinbart werden kann und dadurch die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt, ist verboten.
Eine solche Formulierung kennt man so in der Schweiz noch nicht. Mit dem Versammlungsverbot wolle er aber keinesfalls ein Gesinnungsstrafrecht einführen, sagt Fässler: «Wir respektieren ausdrücklich Meinungsäusserungs-, Versammlungs- und künstlerische Freiheit.»
Aber dazu gehörten keinesfalls Hitlergrüsse und Sieg-Heil-Rufe wie vor zwei Jahren in Unterwasser. Fässler sagt klipp und klar: «Ich will nicht, dass im Kanton St. Gallen Konzerte durchgeführt werden können, bei denen Hitler verherrlicht wird. Darum will ich solche Veranstaltungen auflösen können.»
Auflösen besser als nachträgliche Strafen
Mit dieser Verbotsklausel betritt St. Gallen Neuland. Bis anhin war es üblich, dass die Veranstalter erst im Nachhinein sanktioniert wurden. Doch dann sei es zu spät, sagt der Polizeidirektor: «Es geht mir nicht darum, nachträglich zu sanktionieren, sondern ich will solche Veranstaltungen einfach nicht mehr sehen. Und mit dieser klaren gesetzlichen Grundlage hat unsere Polizei die Möglichkeit, solche Veranstaltungen dann auch aufzulösen.»
Die ersten Reaktionen auf das geplante Verbot für extremistische Veranstaltungen sind positiv: Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus begrüsst die Vorreiterrolle des Kantons St. Gallen.
Andere Kantone werden den Vorschlag prüfen
CVP und GLP, die im St. Galler Kantonsparlament das Gesetz anregten, sehen im Vorschlag einen gangbaren Weg. Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren hat den Vorschlag noch nicht diskutiert und will ihn deshalb nicht kommentieren, wie der Aargauer Polizeidirektor Urs Hofmann, Vizepräsident der KKJPD, ausrichten lässt.
Der Vorschlag dürfte aber auf Interesse stossen, weil auch in anderen Kantonen ähnliche Anliegen zur Diskussion stehen – beispielsweise in Zürich.