Gletscher sind nicht nur Wasserspeicher, sie sind auch riesige Archive. Im Eis sind die Umweltdaten von Jahrtausenden gespeichert.
Doch wenn die Gletscher schmelzen, gehen diese Daten für immer verloren. Deshalb bohren sich Eiskernforscherinnen und -Forscher tief in die Gletscher rund um den Globus.
Das älteste Eis der Alpen
Das älteste Eis der Alpen ist 10'000 Jahre alt. Gesichert wurde es im Sommer 2021 bei einer internationalen Expedition im Monte-Rosa-Massiv im schweizerisch-italienischen Grenzgebiet oberhalb von Zermatt.
Der Colle Gnifetti liegt auf knapp 4500 Meter über Meer im Nährgebiet des Grenzgletschers. Hier haben die Wissenschaftler zwei über achtzig Meter lange Eisbohrkerne entnommen. Einer wird nun analysiert. Der andere soll in der Antarktis für zukünftige Forschergenerationen eingelagert werden.
Margit Schwikowski leitet das Labor für Umweltchemie am Paul-Scherrer-Institut PSI. Anfang Oktober traf sie sich mit Gletscherforscherinnen und -Forschern aus aller Welt an einer Konferenz in Crans-Montana im Wallis. Und alle waren sich einig: Die Zeit drängt. Das älteste Eis der Alpen wurde quasi in letzter Sekunde gehoben, denn mittlerweile schmelzen die Gletscher selbst auf 4500 Meter Höhe.
Das Eis enthält Gase und Partikel längst vergangener Zeiten. «Wir können beispielsweise die Luftverschmutzungen durch die Industrialisierung anschauen», sagt Schwikowski. «Die gefrorenen Daten zeigen, wie die Luftschadstoffe seit 1870 angestiegen sind und sie zeigen auch, dass manche Schadstoffe jetzt wieder stark abnehmen.»
Das älteste Eis der Erde
Noch viel weiter in die Vergangenheit schauen wollen Forscher in der Antarktis. Bei der Forschungsstation «Little Dome C» bohren Wissenschaftler aus der EU und der Schweiz nach dem ältesten Eis der Welt. 1.5 Millionen Jahre soll es alt sein. Um es zu bergen, müssen die Forscher fast drei Kilometer tief in den Eisschild bohren. Derzeit laufen die Vorbereitungen.
Die Bohrungen werden drei bis vier Jahre dauern. Die Expedition ist verbunden mit logistischen Höchstleistungen. Hunderte Tonnen Material mussten in eine der unwirtlichsten und kältesten Regionen der Welt gebracht werden. Hier werden selten Temperaturen von mehr als minus 35 Grad Celsius erreicht.
Analysen in Bern
Wenn das Eis geborgen ist, sollen Proben davon in die Schweiz transportiert werden. An der Universität Bern wird man die Treibhausgaskonzentrationen im Eis analysieren. Dafür wurden eigens zwei spezielle Kühlcontainer angefertigt.
So kann das Eis bei minus 50 Grad von der Antarktis durch die Tropen bis nach Europa verschifft werden. «Alles ist redundant: zwei Container, zwei Kühlaggregate pro Container, weil wenn das Eis auf dem Weg schmelzen würde, wäre das ein Desaster, da wären Millionen Euros in den Sand respektive ins Eis gesetzt», sagt Klimaphysiker Hubertus Fischer.
In Bern angekommen, soll das älteste Eis der Erde helfen, die Geschichte der Eiszeiten über die letzten 1.5 Millionen Jahre zu entschlüsseln und damit vielleicht auch künftige Entwicklungen im globalen Klimasystem besser zu verstehen.