Mit dem knappen Ja von heute bekommt die erste umfassende AHV-Reform seit 27 Jahren eine Volksmehrheit. Und – wie damals – ist die Folge ein höheres Rentenalter für die Frauen.
Das Ja kam gegen die geschlossene Opposition des linken Lagers zustande, aber auch gegen viele, wahrscheinlich sogar die Mehrheit der Frauen, und gegen eine wuchtige Mehrheit in der Romandie. Aber offensichtlich gelang es SP, Grünen und Gewerkschaften nicht, eine Proteststimmung, eine genügend grosse Welle der Empörung zu erzeugen, die noch mehr Frauen und vor allem auch Männer in der Deutschschweiz erfasst hätte.
Wichtiges Gleichstellungsargument
Das hat einerseits damit zu tun, dass eine Mehrheit endlich wieder einmal eine AHV-Reform über die Ziellinie bringen wollte. So oft sind in den vergangenen Jahren Ideen für eine grössere oder kleinere Renovation auf der Dauerbaustelle AHV schon früh oder spätestens in der Volksabstimmung gescheitert, dass die Schwelle für viele Stimmberechtigte, erneut Nein zu stimmen, zu hoch war. Selbst für solche, die Zweifel hatten.
Andererseits spielte ein Argument im Abstimmungskampf eine wichtige Rolle, das schwierig zu widerlegen war: Es gebe keine Gründe, warum Frauen beim Rentenalter anders behandelt werden sollten als Männer. Dem pflichteten auch viele Frauen bei.
Missglückte Taktik der Linken
Darum versuchte die Linke, mit dem angeblich drohenden Rentenalter 67 zu argumentieren. Zwar sprechen sich viele Bürgerliche tatsächlich für weitere Erhöhungen aus, aber der direkte Zusammenhang zur aktuellen Reform konnte die Gegnerschaft nicht genügend plausibel machen.
Eine andere Taktik der Linken war, mit Kritik an der zweiten Säule die Reform der AHV zu Fall zu bringen. Das Argument: Die Ungerechtigkeiten zwischen Frau und Mann seien eben sehr gross, wenn man alle Säulen der Altersvorsorge gemeinsam betrachte. Aber auch diese Argumentation verhalf am Ende nicht zum Sieg: Die bürgerlichen Befürworterinnen und Befürworter der AHV-Reform warnten vor dieser Vermischung der beiden Themen und verwiesen darauf, dass ja auch bei den Pensionskassen eine Reform unterwegs sei.
Kein Freipass für Bürgerliche
Allerdings: Das denkbar knappe Ergebnis von heute ist eine schmerzliche Niederlage für die Linke, sie muss aber auch den Siegerinnen und Siegern auf der bürgerlichen Seite zu denken geben. Es zeigte sich erneut, wie labil die Mehrheiten in diesem Politikbereich sind.
Weitere Rentenalter-Erhöhungen werden es in absehbarer Zeit schwer haben im Volk. Und bei der Reform der zweiten Säule, deren Beratung zurzeit im Parlament nur schleppend vorankommt, sollte ein ausgewogener Kompromiss gelingen. Sonst droht schon in der nächsten Volksabstimmung über ein Sozialwerk wieder ein Nein.