Der Kanton Glarus wird bis im Jahr 2030 fünfzig Prozent mehr pflegebedüftige Personen haben. Gleichzeitig sind die Fachkräfte eher rückläufig. Und der Trend zeigt, dass viele Seniorinnen und Senioren so lange wie möglich zu Hause bleiben wollen.
Nun gibt sich Glarus ein neues Pflege- und Betreuungsgesetz. Die Landsgemeinde stimmt am 6. September darüber ab. Der Verein Pro Senectute steht hinter dem wenig umstrittenen Gesetz, würde sich aber eine breitere Diskussion wünschen.
SRF News: Was wollen die Menschen heute im Alter?
Peter Zimmermann: Das Alter erleben wir als sehr individuell. Und darum ist es wichtig, dass es in Zukunft verschiedene Angebote gibt – im ambulanten oder auch stationären Bereich. Die Leute möchten wählen können und ein grosser Teil kann das auch finanzieren.
Das neue Pflege- und Betreuungsgesetz setzt auf ambulant vor stationär. Altersheimbetten sollen eher abgebaut und Spitex oder gemischte Wohnformen gefördert werden. Ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Wichtig scheint mir zu klären, was für ein Angebot gefragt und benötigt wird. Wir erleben häufig, dass nach einem Spitalaufenthalt einer älteren Person nur das Altersheim infrage kommt. Hier könnte man beispielsweise mit Tages- und Nachtstrukturen oder einer Übergangspflege viel mehr anbieten. Es gibt noch grosses Potential nebst dem heutigen schwarz oder weiss, Spitex oder Altersheim.
Mit dem neuen Gesetz sollen auch Freiwillige und Bezugspersonen gestärkt werden. Sie können allenfalls vom Kanton Geld für die Betreuungsarbeit erhalten. Wälzt so der Kanton einfach Kosten ab?
Ich glaube nicht, dass es um eine Kostenabwälzung geht. Im Vordergrund steht die Stärkung der Freiwilligenarbeit. Unsere Gesundheitsversorgung funktioniert nur dank diesen Freiwilligen.
Unsere Gesundheitsversorgung funktioniert nur dank Freiwilligen.
Wenn wir sie nicht unterstützen, würde vermutlich das Gesundheitssystem auseinanderfallen. Und darum handelt der Kanton richtig, wenn er diese Personen stärkt und auch befähigt – und vor allem, wenn er acht gibt, dass sie sich bei ihrer Arbeit nicht selbst verbrauchen.
Aus Ihrer Sicht ist das neue Pflege- und Betreuungsgesetz also keine versteckte Sparübung?
Nein gar nicht. Es geht darum, langfristig Weichen zu stellen. Die Früchte davon wird man erst in fünfzehn bis zwanzig Jahren sehen.
Das heisst auch, mit einem möglichen – und wahrscheinlichen – Ja an der Landsgemeinde ist die Arbeit noch nicht getan.
Dann geht es erst los. Es müssen echte Partnerschaften entstehen zwischen den Leistungserbringern, also zwischen Spitex und Altersheimen und weiteren Angeboten, aber auch zwischen Gemeinden und Kanton. Das wird eine riesige Aufgabe.
Wir bauen mit diesem Gesetz eine gemeinsame Zukunft.
Heutige Konkurrenten müssen zusammenarbeiten. Wird das funktionieren?
Es braucht ein neues Denken. Wenn das Gesetz angenommen wird, muss man neu anfangen, alte Zöpfe abschneiden und in die Zukunft schauen. Wir bauen eine gemeinsame Zukunft, denn Pflege und Betreuung im Alter betrifft uns alle.
Das Gespräch führte Selina Etter.