Viren machen krank, und zwar akut. Fieber, Schnupfen, Husten, Gliederschmerzen. Dass Viren auch längerfristig krank machen können, hat man noch kaum auf dem Radar. Es dominiert das Bild der Infektion, die vollständig ausheilt – obwohl Long Covid heute ein bekanntes Stichwort ist.
«Dieses falsche Bild ist eines der grossen Missverständnisse dieser Pandemie», sagt Al-Aly Ziyad, Mediziner am Institut für Public Health an der Washington University in St. Louis, Missouri, in den USA. Von ihm stammt die bisher grösste Studie über Folgen einer Corona-Infektion für Herz und Blutkreislauf.
Spätfolgen bei 4 von 100 Infizierten
Demnach erleiden vier Prozent der Coronainfizierten innerhalb des ersten Jahres nach der Infektion einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall, eine schwere Thrombose oder eine andere schwere Komplikation.
Es waren alles Menschen, die ohne Corona-Infektion keine solche Herzerkrankung entwickelt hätten.
Betroffen seien allesamt Personen gewesen, die ohne Corona-Infektion keine solche Herzerkrankung entwickelt hätten, sagt Ziyad. Dies schliesst er aus dem Vergleich mit der Studiengruppe ohne Corona-Infektion und wie häufig dort solche Herzerkrankungen waren.
Keine schwere Infektion nötig
Ziyads Studie ist eine von inzwischen vielen zu Long Covid. Eine weitere aus Deutschland zeigte kürzlich, dass bei vielen Betroffenen eine milde, aber hartnäckige Herzmuskelentzündung die Ursache für Herzrasen und eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit nach einer Sars-CoV2-Infektion ist.
90 Prozent jener Menschen, die Long Covid entwickeln, hatten ursprünglich keine schwere Infektion.
«90 Prozent jener Menschen, die Long Covid entwickeln, hatten ursprünglich keine schwere Infektion», sagt Long-Covid-Experte Milo Puhan von der Universität Zürich. Unklar ist bisher, welche Faktoren das Risiko für Long Covid bestimmen. Es scheint nach derzeitiger Datenlage jeden und jede treffen zu können. Weitere Studien sollten in Zukunft mehr Klarheit schaffen.
Impfung senkt Risiko für Long Covid
Was sich laut Puhan mittlerweile schon deutlich abzeichnet: «Bei einer Durchbruchsinfektion, also einer Infektion nach einer Impfung, ist das Risiko für Long Covid deutlich reduziert.» Allerdings liegt der Schutzeffekt nicht bei rund 90 Prozent, wie beim Schutz der Impfung vor schweren akuten Verläufen, sondern eher bei etwa 50 Prozent.
Überraschend sei das nicht, so Puhan: «Die Immunantwort durch eine Impfung wirkt direkt gegen das Virus, also direkt auf das, was die Infektion antreibt. Long Covid ist deutlich komplizierter.»
Die Immunantwort durch eine Impfung wirkt direkt gegen das Virus. Long Covid ist deutlich komplizierter.
Ähnlich sieht es für Menschen aus, die eine erste Infektion schon durchgemacht haben. «Bei einer Reinfektion ist das Risiko, im zweiten Anlauf noch Long Covid zu entwickeln, weiter substanziell», sagt US-Forscher Al-Aly Ziyad. Das gelte auch, wenn die erste Infektion folgenlos ausgeheilt sei.
Hinweise auf kleines Parkinson-Risiko
US-Forscher Richard Smeyne fügt dem Mosaik an langfristigen Corona-Folgen einen weiteren Stein hinzu: Parkinson. Den Effekt von Grippeviren auf die Häufigkeit von Parkinson untersuchte er bereits vor der Corona-Pandemie.
Menschen, die sich während der Pandemie 1918 als junge Menschen angesteckt hatten, waren Jahrzehnte später zwei- bis dreimal häufiger an Parkinson erkrankt. Auch nach der Schweinegrippe 2009 fanden dänische Forscher eine erhöhte Zahl von Patienten mit einer Parkinson-Erkrankungen.
Wie gross der Effekt von Coronainfektionen auf die Häufigkeit von Parkinson sein kann, untersucht Smeyne nun.