- Nach systematischer Auswertung der Beweisvideos von der Basler «Nazifrei»-Demonstration reicht ein Anwalt Anzeige gegen die Polizei ein. SRF liegen die Videos vor.
- Der Vorwurf: Die Polizei habe Gummischrot geschossen, obwohl es keine Bedrohung gab.
- Polizei und Justiz weisen die Vorwürfe zurück und sagen, die Videos würden keine neuen Erkenntnisse bringen.
Im November 2018 versammelten sich in Basel etwa 100 Rechtsradikale, um gegen den UN-Migrationspakt zu demonstrieren. Der Aufmarsch war bewilligt. Mitglieder der rechtsextremen Partei Pnos hielten antisemitische Reden.
Wüste Szenen zwischen Polizei und Demonstranten
Dagegen protestierten rund 2000 Menschen. Sie stellten sich unter dem Slogan «Basel Nazifrei» den Rechten entgegen. Dabei kam es zu einer Eskalation. Die Polizei schoss Gummischrot – Demonstrierende warfen Steine.
Die Polizei ging damals hart gegen die Teilnehmenden der nicht bewilligten Gegendemonstration vor. Auch die Justiz griff durch: Im Nachgang zur Demo gab es rund 60 Anzeigen, die sich fast ausnahmslos gegen Teilnehmende der Gegendemonstration richteten.
Videoaufnahmen rückten den Polizeieinsatz nun in ein schlechtes Licht, sagt Anwalt Andreas Noll: «Sie zeigen, dass die Situation vor dem Gummischrot-Einsatz friedlich war und es keine Anzeichen von Gewalt gab.» Erst danach warfen die Demonstranten Steine gegen die Polizei, so Noll.
«Man darf sich wehren, wenn man rechtswidrig angegriffen wird», sagt Noll weiter. «Es gab für die Polizei keine Bedrohungssituation. Dann dürfen die Beamten keinen Gummischrot einsetzen aus einem Abstand von weniger als 20 Metern.»
Fragen zum Einsatz stellt sich auch der ehemalige Basler Polizeikommandant Markus Mohler. Der Experte für Polizeirecht betont zwar, dass die Polizei eine unbewilligte Demonstration auflösen kann – und wenn Bereiche wie der öffentliche Verkehr eingeschränkt werden, dazu auch verpflichtet sei. Auch sei unter diesen Umständen der Einsatz von Gummischrot gängig. Trotzdem würden sich zur Umsetzung Fragen stellen: «Die Warnung der Polizei per Megafon ist auf diesen Videoausschnitten nur schwer verständlich. Und der Einsatz von Gummischrot kam schnell. Es ist kaum Zeit geblieben, der Aufforderung, den Platz zu verlassen, nachzukommen», sagt Mohler, der heute als Experte für Polizeirecht tätig ist.
Forderung nach unabhängiger Untersuchung
Anwalt Noll will nun, dass der Einsatz untersucht wird und reicht deshalb eine Anzeige gegen die Polizei ein. Er fordert ausserdem eine unabhängige Untersuchung, also eine ausserkantonale Staatsanwaltschaft.
Behörden sehen kein Fehlverhalten
Zu den Vorwürfen heisst es von den Basler Justizbehörden, dass die Videos keinen Anlass für neue Erkenntnisse geben würden: «Der Mitteleinsatz während der Kundgebung vor drei Jahren wurde medial und politisch schon x-fach thematisiert.»
Die Polizei vertritt den Standpunkt, dass es eine Bedrohungssituation gegeben habe. Demonstrierende hätten versucht, die Polizeikette zu durchbrechen. Der Gummischrot-Einsatz habe weitere Eskalationen verhindert.
Auch die Basler Staatsanwaltschaft äussert sich mit Verweis auf das Verfahren zurückhaltend. Sprecher Martin Schütz sagt: «Selbstverständlich werden wir nun alle notwendigen rechtlich korrekten Schritte einleiten, damit die Anzeige von Anwalt Andreas Noll unabhängig und ergebnisoffen beurteilt und behandelt wird.»
Bringt unabhängige Untersuchung Klarheit?
Waren der Polizeieinsatz und die Strafanzeigen der Basler Behörden übertrieben oder verhältnismässig – Klärung bringen könnte eine unabhängige Untersuchung. Die Behörden prüfen nun, ob eine solche eingeleitet wird.