Lange war Corona weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden. Nun machen aber gleich zwei neue Varianten von sich reden: Eris und BA.2.86. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldet steigende Zahlen bei den laborbestätigten Covid-Fällen. SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die jüngste Entwicklung.
Was unterscheidet diese neuen Virusvarianten von den bisher dominierenden Omikron-Abkömmlingen?
Auch die neuen Varianten sind Omikron-Abkömmlinge, wie praktisch alles, was im Moment kursiert. Eris ist aufgefallen, weil sie sich offenbar wirklich gut durchsetzen kann. Bisher war es eher eine «Suppe» aus vielen verschiedenen Varianten, wobei keine richtig dominant wurde. Mit Eris ist das erstmals seit langem anders. Sie ist in den USA inzwischen dominant und nimmt unter anderem in Grossbritannien und in der Schweiz zu.
Und wie steht es mit der anderen neuen Variante BA.2.86?
BA.2.86 hat in Forscherkreisen aufhorchen lassen, weil sie sich mit insgesamt 30 Mutationen absetzt – von ihrer Muttervariante BA.2 und von den XBB-Varianten, die in der Schweiz gerade gemeinsam zirkulieren. Einen so evolutionären Sprung hat es zuletzt bei Omikron gegeben: Auch Omikron war sehr anders als alle Varianten davor. Omikron war ausserdem sehr fit, und darum konnte sie so grosse Wellen auslösen. Ob BA2.86 das ebenso schafft, ist offen. Allerdings wurde sie innert weniger Tage in sechs Ländern nachgewiesen, was für eine schnelle Ausbreitung spricht. Für die Virologie ist klar, dass diese Variante im Auge behalten werden muss.
Machen die beiden auffälligen Varianten kränker als die bekannten Varianten?
Bei Eris kann man sicher sagen, dass sie nicht kränker macht. Sie hat zwar eine Immunflucht, aber keine dramatische. Das heisst: Unser Immunsystem erkennt sie nicht mehr ganz so gut, aber schon noch. Zu BA.2.86 kann man bezüglich der Schwere noch nicht viel sagen, weil es noch nicht viele nachgewiesene Fälle gibt. Von den sechs weltweit bisher bekannten ist ein Infizierter über 80 und im Spital. Es gibt also keinen Hinweis darauf, dass BA2.86 schwerer krank machen würde.
Wie weiss man überhaupt, dass sich die Varianten ausbreiten, wenn doch kaum noch getestet wird?
Es wird weltweit kaum noch getestet. Aber einige Länder, auch die Schweiz, haben zumindest noch eine ganz grobe Variantenüberwachung. Der erste Nachweis von BA.2.86 stammt vom Mittwoch von einer Abwasserüberwachungsstelle in Lausanne – mit einem geschätzten Anteil von zwei Prozent. Das ist eine sehr grobe Schätzung. Zudem wurde die jetzt ausgewertete Probe bereits am 5. August entnommen und ist also fast drei Wochen alt. Das zeigt, dass die Überwachung zwar läuft, aber nicht mehr besonders schnell ist. Beeindruckend ist hingegen, wie schnell der Austausch unter ein paar Forschergruppen weltweit gelaufen ist, sodass bereits eine erste grobe Einschätzung dieser Variante vorliegt.
Bedeuten die steigenden Zahlen, dass der Schweiz eine neue, grössere Ansteckungswelle bevorsteht?
Prognosen sind sehr schwierig, bei aller Vorsicht und allen Versuchen, die Aussagen zur Zukunft möglichst solide und abgewogen zu machen. Aber man kann sicher sagen: Eine Variante wie BA.2.86 zeigt, dass das Virus evolutionär noch nicht ausgereizt ist. Zugleich hat die Immunität, die jemand nach drei oder mehr Immunisierungen erreicht, bisher sehr gut gegen schwere Verläufe gehalten. Auch spricht viel dafür, dass das so bleibt. Der Immunschutz gegen Ansteckungen wird aber immer und immer wieder nachlassen.
Was heisst das bei der Corona-Impfung, wenn der Immunschutz abnimmt und neue Empfehlungen der Behörden fehlen?
Was die Ansteckungen betrifft, so weiss man ja bereits, dass die Immunität mit der Zeit abnimmt und sich in der Folge eine neue Welle aufbaut. Die Immunität gegen schwere Verläufe hat hingegen bisher gut gehalten. Nach drei Immunisierungen ist die zelluläre Immunität nämlich so divers, dass sie auch durch neue Varianten nicht mehr so einfach auszuhebeln ist. Diese Art der Immunität ist für den Schutz vor schweren Verläufen entscheidend.
Auf den Herbst ist von den Herstellern Pfizer und Moderna ein aufdatierter Impfstoff in der Zulassung, der auf XBB-Varianten angepasst ist. Es gibt erste Daten von Moderna, dass dieser auch gegen Eris wohl ganz gut schützen wird. Laut Impfkommission ist auf Mitte September eine neue Empfehlung in Arbeit. Wer seinen Immunschutz nochmals verbreitern will, hat dann die Möglichkeit dazu. Für Vulnerable wird die Kommission die Impfung wohl sogar aktiv empfehlen.