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Neue Studie zur Antarktis Schelfeis in der Westantarktis schmilzt so oder so

Noch hält das schwimmende Eis die Gletscher. Ein Abschmelzen kann laut einer neuen Studie bestenfalls verzögert werden.

Das Schelfeis vor den Gletschern der Westantarktis wird auftauen, auch wenn das Pariser Klimaziel erreicht wird. Dies besagt eine neue, beunruhigende Studie, die im Wissenschaftsmagazin «Nature Climate Change» veröffentlicht wurde.

«Es sieht so aus, als hätten wir die Kontrolle über das Abschmelzen des westantarktischen Eisschildes verloren», schreibt Kaitlin A. Naughten, Hauptautorin der Studie. Sie und ihre Forscherkollegen haben so detailliert wie noch nie untersucht, wie sich das Meer in der Westenantarktis erwärmt – je nachdem, wie stark die Klimaerwärmung zunimmt.

Rasche Meereserwärmung laut Studie nicht zu stoppen

Das Resultat ihrer Modellierung lässt aufhorchen: Egal, ob der weltweite Temperaturanstieg 2.6 Grad, 2 oder nur 1.5 Grad beträgt – in allen Varianten ist eine rasche Erwärmung des Meeres wahrscheinlich.

Und damit sei das Abschmelzen des Schelfeises auf dem Meer, das heute noch hunderte von Metern dick ist, unausweichlich. Das hat Auswirkungen auf die riesigen Gletscher wie den Thwaites-Gletscher. Bisher verhindert das Schelfeis, dass diese Gletscher quasi ins Meer abrutschen.

Zusätzlich droht aber auch eine Gletscherschmelze von unten her. Denn der Boden, auf dem die Gletschermassen liegen, ist zum Inneren des Kontinents hin abschüssig.

Deshalb können die riesigen Gletscher vom Meerwasser unterspült und von unten her geschmolzen werden. Dieser Prozess dauert zwar Jahrhunderte, aber alleine durch das Abschmelzen des westantarktischen Eisschildes würde der Meeresspiegel um vier bis fünf Meter steigen.

Kritische Anmerkungen zur Studie

Nicht beteiligte Glaziologen und Klimawissenschaftlerinnen halten die Studie für solide. Die weitreichenden Schlussfolgerungen aber bleiben nicht unwidersprochen: Es sei zwar durchaus möglich, dass sich das Abschmelzen der Westantarktis nicht mehr verhindern lasse. Doch das Zusammenspiel zwischen Meerestemperatur, Abschmelzprozess und Abrutschen der Gletscher sei so komplex, dass die Wechselwirkungen auch mit dieser Studie nicht abschliessend geklärt werden könnten, so die Beurteilung.

Eisberg.
Legende: Das Satellitenbild zeigt den Eisberg D83, der am 25. September 2019 vom drittgrössten Eisschelf der Antarktis, «Amery», kalbte. Er hatte eine Fläche von 1582 Quadratkilometern und war damit leicht grösser als der Kanton Luzern. Keystone/EPA/European Union/Copernicus

In einem Punkt allerdings sind sich alle Forschenden einig: Jedes Zehntelgrad, um das sich die Welt weniger erwärme, sei wertvoll. Sei es, dass der Kollaps der ganzen Westantarktis vielleicht doch noch verhindert werden kann. Oder sei es, dass mehr Zeit bleibt, um Küstengebiete geordnet zu räumen oder – wenn möglich – mit riesigen Deichen zu schützen.

Die Studie im Detail

Echo der Zeit, 23.10.2023, 18 Uhr

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