Die multinationale Kandidatur war von Frankreich, Italien und der Schweiz gemeinsam eingereicht worden. Auch der Schweizer Alpen-Club (SAC) hat sich für die Kandidatur engagiert. Alpinimus ist viel mehr, als sich in den Bergen auszutoben, sagt SAC-Präsidentin Françoise Jaquet im Interview.
SRF News: Welche Bedeutung hat es für den SAC, dass der Alpinismus nun immaterielles Kulturerbe der Unesco ist?
Françoise Jaquet: Wir freuen uns sehr über diese Anerkennung, denn beim Alpinismus geht es um viel mehr, als sich in den Bergen auszutoben. Es geht um die Weitergabe von Erfahrung und spezifischem Wissen an eine nächste Generation. Wissen über geeignete Techniken und den richtigen Umgang mit Seil und Pickel. Risikoeinschätzung von Naturgefahren wie Lawinen, Wetterkunde, Geographiekenntnisse, Fauna und Flora.
Beim Alpinismus geht es um viel mehr, als sich in den Bergen auszutoben.
Alpinismus hat auch eine soziale Komponente. Gegenseitiger Respekt, Solidarität, Teamgeist. In einer Seilschaft muss ich mich in jeder Hinsicht auf den anderen verlassen können. Die Kultur des Alpinismus hat sich auch dahin entwickelt, dass Ethik am Berg und nachhaltiges Verhalten wichtig sind. Das ist ja gerade das Schöne an einem immateriellen Kulturerbe – es entwickelt sich ständig weiter.
Zu welchen konkreten Massnahmen hat sich die Schweiz nun gegenüber der Unesco verpflichtet?
Wir verpflichten uns natürlich dazu, unsere SAC-Hütten zu erhalten und uns für die Zugänglichkeit zu den Bergen einzusetzen. Wir werden noch mehr als bisher in die Ausbildung und Förderung des Nachwuchses investieren. Und wir sind laufend dabei, das Kursangebot zu optimieren, damit unsere Tourenführerinnen und –führer wie auch alle anderen Berggänger bestens ausgebildet und auf das Gebirge vorbereitet sind.
Wir verpflichten unsere Mitglieder zu mehr Umweltschutz und naturnahem Tourismus
Wir sensibilisieren bereits jetzt unsere Mitglieder stark für Umweltthemen. Gerade für die Problematik der globalen Klimaerwärmung. Nirgends spüren wir die Auswirkungen so konkret wie in den Bergen mit dem Schmelzen der Gletscher und dem Auftauen des Permafrostes. Alpinisten sehen solche Veränderungen als Erstes. Wir verpflichten unsere Mitglieder auch zu mehr Umweltschutz und naturnahem Tourismus.
Wie hat sich der Alpinismus, also das Besteigen der Berge, überhaupt entwickelt?
Kleriker und Wissenschaftler haben sich seit jeher für die Bergwelt interessiert. Sie stiegen auf die hohen Gipfel auf der Suche nach Gott. Und Wissenschaft war nicht etwa Vorwand, sondern Hauptzweck zahlreicher Gebirgsexpeditionen: Erforschung und Kartographierung, die Vermessung und Benennung der Berge. Das ist der Ursprung des Alpinismus.
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Bild 1 von 8. Obwohl es bereits im 14. Jahrhundert erste Berichte über Bergsteiger gab, eröffnete vor allem der Genfer Naturwissenschaftler Horace Bénédict de Saussure (in der Mitte mit dem roten Mantel) den modernen Alpinismus, als er 1786 bis 1787 mit seiner Truppe den Mont Blanc bestieg. Bildquelle: Gezeichnet von Marquard Wocher, Stich von Christian von Mechel, 1790 (Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier).
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Bild 2 von 8. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts prägten andere Naturforscher den Alpinismus. Das Jungfraujoch (im Bild) wurde etwa 1811 bestiegen. Bildquelle: Anton Reckziegel, veröffentlicht vom Grafikatelier Hubacher & Biedermann in Bern, 1898 (Mémoires d'Ici, Saint-Imier, Fonds Albert et Marguerite Gobat).
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Bild 3 von 8. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rückte der Tourismus dann mehr und mehr ins Zentrum. Vor allem Grindelwald (BE) und Zermatt (VS) sollen beliebt gewesen sein. Im Bild zu sehen ist aber das Kurhotel Terrasse in Engelberg (OW). Bildquelle: Eduard Stiefel, 1907 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
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Bild 4 von 8. Die Gründung des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) 1863 gilt als weiterer Schritt in der Fortentwicklung des Alpinismus. Im Bild zu sehen ist die Ela-Hütte des SAC, oberhalb Filisur im bündnerischen Albulatal. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 8. Das Matterhorn wurde 1865 als letzter Schweizer Hauptgipfel bestiegen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 8. Im 20. Jahrhundert wurde dann das Bergsteigen als Sport ein grosser Teil des Alpinismus. Auf dem Bild zu sehen sind Edmund Hillary, John Hunt und Sherpa Tenzing Norgay (von links) beim Mount Everest (Katmandu, Nepal, 1953). Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 8. Es gab auch Schweizer Pioniere: Im Jahre 1956 gelang dem Schweizer Albert Eggler mit seiner Seilschaft die Erstbesteigung des 8501 Meter hohen Lothses, dem vierthöchsten Berg der Erde an der Grenze zwischen Nepal und China. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 8. Seither gab es im Alpinismus auch dank besserer Ausrüstung immer neue Rekorde. Die Faszination für die Berge birgt aber auch Gefahren – 2018 schrieb der SAC in seiner Bilanz für Bergnotfälle in der Schweiz: «Beim Bergsport im engeren Sinne kamen bei 117 Unfällen 135 Personen ums Leben.». Bildquelle: Keystone.
Die Eroberung der Alpen boomte. Da man die Erstbesteigungen nicht alleine den Ausländern überlassen wollte, haben sich 35 Herren zusammengeschlossen und 1863 den Schweizer Alpen-Club gegründet.
Wie wichtig war der Alpinismus damals für die Schweizer?
Die Schweizer Bevölkerung war damals ziemlich arm. Gerade die Bewohner in den Bergen waren froh, als Bergführer dienen zu können. Das war für viele eine Existenzgrundlage. Mit dem Ausbau der Strassen in die Täler wurden die Berge und Gipfel für alle zugänglich. Mit Installationen wie Bergbahnen, aber auch dem Ausbau von Wanderwegen. All das nahm ab dem Ende des 19. Jahrhunderts zu.
Das Gespräch führte Christian Rensch.