Manizha heisst die junge Sängerin, die für Russland beim Eurovision Song Contest (ESC) antreten wird. Ihr Lied «Russian Woman» handelt von – der Name sagt es – russischen Frauen, von Diskriminierung, aber auch von Emanzipation. Russland ist zweigeteilt in seinem Urteil über den Song.
Die einen sind begeistert, die anderen kochen vor Wut. «Schauen Sie sich den Text dieses Liedes mal an. Das ist ein totaler Schwachsinn. Ich versteh überhaupt nicht, was das soll», lautete das Urteil von Valentina Matvienko.
Manizha trifft einen wunden Punkt
Die 72-Jährige ist nicht irgendwer: Sie ist Parlamentsvorsitzende, eine enge Vertraute von Waldimir Putin. Manizha, 29 Jahre alt, ist mit «Russian Woman» im staatlichen Fernsehen in der Vorausscheidung angetreten. Und sie hat in der Zuschauerabstimmung prompt gewonnen. Ihr Stil ist opulent, bunt, ein bisschen verrückt. Inhaltlich aber hat der Song eine klare Botschaft.
Du bist schon 30, warum hast Du noch keine Kinder?
«Du bist schon 30, warum hast Du noch keine Kinder?», heisst es im Text. «Du bist hübsch, aber Du solltest abnehmen. Zieh ein kürzeres Kleid an, zieh ein längeres Kleid an.» Manizha beklagt, dass russische Frauen ständig taxiert und belehrt würden, wie sie zu sein hätten. Aber: «Russische Frauen sind stark, sie können jede Mauer sprengen», heisst im Liedtext auch.
Es ist also ein Lied, das Diskriminierung anprangert – und gleichzeitig von Emanzipation erzählt. Das passt zu Manizha. Die Sängerin, die Wurzeln im zentralasiatischen Tadschikistan hat, engagiert sich seit geraumer Zeit gesellschaftlich: für Frauenrechte, für Flüchtlinge, auch für die Rechte von Lesben und Schwulen. Mit ihrem Lied «Russian Woman» habe Manizha einen wunden Punkt getroffen, stellt eine Moderatorin des staatlichen TV fest.
Du bist hübsch, aber Du solltest abnehmen. Zieh ein kürzeres Kleid an, zieh ein längeres Kleid an.
Das ist noch milde ausgedrückt: Manizha wurde im Internet mit einem regelrechten Shitstorm eingedeckt, rassistisch beschimpft, als Frau und Künstlerin beleidigt. Eine konservative Nichtregierungsorganisation hat sogar eine Anzeige gegen Manizha eingereicht: «Russian Woman» besudle die Ehre russischer Frauen. Manizha selber nimmt es gelassen: «Ich bin ja nicht schönes Wetter, also etwas, was allen gefallen muss», sagt sie.
Eine Stimme für die junge Generation
Und weiter: «Ich spreche schon lange über Gleichberechtigung, auch über Rassismus. Und die Kommentare, die ich jetzt erhalte, bestätigen nur, dass es richtig ist, was ich tue – dass ich weiter machen soll.» Russland mag unter Putin konservativer geworden sein. Der Kreml predigt seit geraumer Zeit sogenannte «traditionelle Werte.» Doch es gibt auch ein anderes Russland.
Junge Russinnen und Russen wie Manizha wollen ein offenes, ein buntes und vielfältiges Land, in dem Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Diese Generation hat keine politische Macht im Moment, aber sie gewinnt doch immerhin einmal eine Abstimmung, und schickt Manizha an den Eurovision Song Contest nach Europa – als Botschafterin eines modernen Russlands.