Facebook wird mit neuer, massiver Kritik konfrontiert: Der britische Parlamentarier Damian Collins hat interne E-Mails des Konzerns publiziert. Sie zeigen, wie das Unternehmen sein Geschäftsmodell optimiert und gezielt gegen Konkurrenten vorgeht. Für SRF-Digitalredaktor Peter Buchmann ist klar: Facebook missachtet die Privatsphäre der Nutzer systematisch.
SRF News: Wie gelangte Collins an die Facebook-internen E-Mails?
Peter Buchmann: Die Mails und weiteren Dokumente stammen aus einem Prozess, den das amerikanische Startup Six4Three gegen Facebook in den USA führt. Der CEO dieses Startups war kürzlich in London. Dort zwang ihn der Parlamentarier Collins dazu, diese E-Mails der Kommission «Digital, Culture, Media and Sport» zu übergeben. Diese wird von Collins geleitet und führt in Grossbritannien eine Untersuchung wegen Fake News im Zusammenhang mit der Brexit-Abstimmung durch. Collins hat einen Teil dieser EMails redigiert und am Mittwoch veröffentlicht.
Die E-Mails geben einen Einblick in die Interna bei Facebook. Was zeigen sie?
Die E-Mails machen zwei Dinge deutlich: Für Facebook sind die eigenen Geschäftsinteressen absolut zentral. Der Schutz der Privatsphäre der Nutzer ist Nebensache. Und zweitens: Facebook geht gnadenlos gegen Konkurrenten vor. Das zeigt das Beispiel der Facebook-eigenen App Onavo. Der Nutzer kann mit dieser App seinen Internetverkehr verschlüsseln.
Der Schutz der Privatsphäre ist nur ein Thema, wenn Facebook einen Skandal zu befürchten hat.
Facebook wiederum erhält über diese App Daten zum Nutzerverhalten. Der Konzern gelangte so an Daten, welche Apps populär sind. So merkte Facebook schon früh, dass Whatsapp immer beliebter wird, oder auch die Video-App Vine des Konkurrenten Twitter. Facebook eliminierte die beiden Konkurrenten: Whatsapp wurde aufgekauft, Vine von Facebook verbannt.
Facebook hat also das Nutzerverhalten ausspioniert und aufgrund dieser Erkenntnisse wichtige Entscheide getroffen. Der Schutz der Privatsphäre ist offenbar Nebensache.
Auch aus anderen E-Mails geht hervor, dass der Schutz der Privatsphäre für Facebook Nebensache ist. Er ist nur ein Thema, wenn der Konzern fürchtet, dass die Missachtung der Privatsphäre öffentlich wird – wenn Facebook also einen Skandal zu befürchten hat. Im Februar plante Facebook, die eigene App auf den Android-Smartphones so abzuändern, dass sie Daten zum SMS-Austausch und zu Telefongesprächen der Nutzer an Facebook weiterleitet.
Zuerst hatten die Verantwortlichen Bedenken, dass es zu einem Skandal führen könnte, wenn die Nutzer ihre Zustimmung geben müssen. Dann haben sie einen Weg gefunden, wie sie ohne die Zustimmung der Nutzer an diese Daten gelangen. Und haben die App entsprechend abgeändert.
Wie hat Facebook auf die Veröffentlichung der E-Mails reagiert?
Mark Zuckerberg schreibt auf seinem Blog, dass diese E-Mails nur einen Teil der Geschichte wiedergeben würden. Sie seien aus dem Zusammenhang gerissen. Es handle sich lediglich um Diskussionen, in denen Mitarbeiter unterschiedliche Ideen äusserten. Zuckerberg verweist darauf, dass Facebook vor drei Jahren den Zugang zur Plattform für Entwickler einschränkte. Was er dabei nicht erwähnt: Das galt nicht für alle in gleichem Masse. Facebook gab Grosskunden wie AirBnB oder Netflix Zugang zu Daten, die andere nicht hatten, und muss sich nun den Vorwurf der Bevorzugung gefallen lassen.
Das Gespräch führte Antonia Moser.