Die 5G-Mobilfunk-Technologie ist in der Schweiz vielerorts umstritten und noch nicht flächendeckend eingeführt. China hat derweil bereits einen Testsatelliten für 6G in die Erdumlaufbahn geschickt. Jürg Leuthold forscht auf dem Gebiet. Er sieht Anwendungsbereiche in der künstlichen Intelligenz.
SRF News: Was muss man sich unter 6G vorstellen?
Jürg Leuthold: In der Forschung fasst man damit all jene Entwicklungen zusammen, welche über das hinausgehen, was man heute kennt. Oftmals ist es aber auch ganz einfach ein Stichwort, das man in den Raum wirft, um damit zu sagen, dass man besonders fortschrittliche Forschung betreibt.
Was könnte eine nächste Generation im Mobilfunk bringen?
Wenn wir von 6G reden, denken wir sehr oft an neue Anwendungen. Solche, die beispielsweise hochauflösende 3D-holografische Darstellungen übertragen können oder welche, die künstliche Intelligenz ermöglichen.
Einer der grossen Nachteile der hohen Frequenzen ist, dass diese Strahlung sehr viel mehr absorbiert.
Wir denken dabei an Sensoren, die überall verteilt sind und die nur Daten liefern, also eigentlich «dumm» sind. Das Netzwerk hat dann die notwendige Intelligenz und auch die Rechenleistung, um aus diesen Daten etwas Sinnvolles herauszuholen. Das könnte beispielsweise sein: Man stellt fest, am Platz x gibt es Lärm, am Platz x + 1 ebenfalls, und am Platz x + 2 gibt es auch Lärm, aber etwas später. Ein künstlich intelligentes Netzwerk könnte dann herausfinden, dass da gerade ein Saubannerzug durchs Dorf zieht.
Ist gegenüber 6G dieselbe Skepsis zu erwarten wie gegenüber 5G?
Etwas, das sich mit 6G sicher weiterentwickeln wird, ist die Hardware. Wir reden hier von Tera-Hertz-Strahlung statt von Gigahertz-Strahlung. Man macht das deshalb, weil höhere Frequenzen auch höhere Übertragungsraten ermöglichen. Aber einer der grossen Nachteile der hohen Frequenzen ist, dass diese Strahlung sehr viel mehr absorbiert. Man kommt schon mit 5G kaum in Häuser hinein, die Isolierverglasung haben oder gut abgeschirmt sind. Durch eine Betonwand kommt man schon fast nicht mehr durch.
Bei der 6G-Strahlung wird man den Strahl sehr eng auf den Empfänger oder die Empfängerin fokussieren.
Bei noch höheren Frequenzen ist die Durchdringung tatsächlich noch viel schlechter. Und weil die Strahlung nicht mehr durchdringend ist und auch kaum mehr eine grosse Reichweite erreicht, wird man bei der 6G-Strahlung den Strahl sehr eng auf den Empfänger oder die Empfängerin fokussieren. Sie erhalten die Strahlung, aber nicht mehr die Umgebung.
6G ist noch kein Standard. Wann wird es Standard werden?
In der Standardisierung rechnet man damit, dass es bis 2030 soweit sein könnte, dass 6G eingeführt wird. Also bis das in die praktische Anwendung kommt, bis das uns erreicht, wird es schon noch zehn Jahre dauern.
Ist 6G eine Spielerei der Forschung oder nützlich für die Menschheit?
Das ist eine Technologie, die kommen wird, die vieles ermöglichen wird. Die Leute, die skeptisch sind gegenüber elektromagnetischer Strahlung, die sogar Angst haben, sollten das eigentlich sehr wohlwollend anschauen. Denn es ist ein Paradigmenwechsel. Ein Wechsel von der breit streuenden elektromagnetischen Strahlung auf eine Technologie, die die Strahlung genau dorthin sendet, wo wir sie brauchen. Und sie ermöglicht neue Anwendungen – vor allem welche, für die wir auf grosse Bandbreiten angewiesen sind.
Das Gespräch führte Sandra Witmer.