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Herbststurm vor Griechenland SRF-Meteorologe: «Der kleine heftige Bruder des Hurrikans»

Ein schwerer Herbststurm namens «Ianos» bewegt sich auf Griechenland zu. Bei diesem Wetterphänomen sprechen Meteorologinnen und Meteorologen von einem Medicane (von engl. mediterranean hurricane).

Der griechische Zivilschutz warnte alle Einwohner der betroffenen Inseln im Umkreis der Halbinsel Peloponnes, während des Sturms nicht auf die Strasse zu gehen. Segler wurden vom Wetteramt dazu aufgerufen, so bald wie möglich den nächsten Hafen aufzusuchen. SRF-Meteorologe Jürg Zogg erklärt, welche Gefahr der Wirbelsturm bringen kann.

Jürg Zogg

Meteorologe SRF

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Jürg Zogg ist seit April 2004 als Meteorologe bei SRF Meteo tätig. Das Geographiestudium an der Universität Zürich schloss er mit Vertiefung in Klimatologie und Atmosphärenphysik ab. Danach arbeitete er knapp fünf Jahre für den Wetterdienst Meteomedia im Appenzellerland.

SRF News: «Ianos» nimmt Kurs auf Griechenland. Was ist vom sogenannten Medicane zu erwarten?

Jürg Zogg: Das ist für die betroffene Gegend doch eine ziemlich gefährliche Wetterlage, weil man bei diesem Medicane mit Böen von 100-150 km/h rechnet, wenn dieser an Land trifft. Das kann zu Schäden führen. Das betrifft dann vor allem auch die vorgelagerten ionischen Inseln, die wohl im Laufe der Nacht auf Freitag getroffen werden. Und dann schliesslich die Halbinsel Peloponnes, die wohl im Verlaufe des Freitags getroffen wird.

Welche Schäden sind zu erwarten, wenn der Medicane an Land trifft?

Bei solchen Wetterlagen ist häufig nicht der Wind das grösste Problem, sondern die massiven Regenfälle, die der Medicane mit sich bringt. Obwohl sich der Sturm dann über der Landmasse abschwächt, können dann mit der feuchten Luft bis Samstag sintflutartige Regenfälle in der Region drohen mit zum Teil intensiven Gewittern, Überschwemmungen und Sturzfluten.

Typischerweise kommen solche Medicanes im Herbst vor.

Die Modelle sagen hier Regenmengen von stellenweise 200 bis 400 Millimeter Niederschlag voraus. Das ist sehr viel in Gegenden, in denen normalerweise nicht so grosse Mengen in so kurzer Zeit üblich ist.

Ist dieses Wetterphänomen aussergewöhnlich oder kommt dies häufig vor?

Wirbelstürme mit tropischen Merkmalen über dem Mittelmeer gibt es in der Regel ein bis zweimal pro Jahr. Das kommt also immer mal wieder vor, manchmal in einer etwas heftigeren Form als sonst. Typischerweise kommen solche Medicanes im Herbst vor, wenn das Meer in der Entstehungsregion sehr warm ist und kältere, störungsreiche Luftmasse vom Norden reinströmt. Das Meer ist mit 28 Grad auch etwas wärmer als im langjährigen Mittel.

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Was ist der Unterschied zwischen einem Medicane und einem Hurrikan?

Der Medicaine ist der kleine heftige Bruder des Hurrikans. Es handelt sich sowohl beim Medicane als auch beim Hurrikan um Wirbelstürme, die sich über einem warmen Meer bilden und einen warmen Kern haben. Ein Medicane hat auch manchmal ein wolkenloses Auge, das man auf dem Satellitenbild gut sehen kann. In Bezug auf die Ausdehnung, Lebensdauer und Intensität gibt es jedoch schon gewichtige Unterschiede.

Hurrikans sind langlebiger, breiter und in ihrer Intensität höher. Ein ausgewachsener, heftiger Medicane erreicht höchstens die tiefste Stufe 1 eines Hurrikans. Der wichtigste Unterschied zu einem Sturm, wie er bei uns vorkommt, ist dabei die wärmere Luft, die mehr Feuchtigkeit und deshalb mehr Starkregen mit sich bringt.

Das Gespräch führte Luca Froelicher.

SRF 3, 17.09.2020, 09.40 Uhr ; 

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