Als Anja M. mit Bauchschmerzen zum Arzt ging, hätte sie nie gedacht, dass sie einen Parasiten in sich trägt. «Es war ein Riesenschock», sagt sie, «Ich brauchte Zeit, bis ich diese Diagnose akzeptieren konnte.»
Einen Teil der Leber wegoperiert
Auf der Leber war der Herd des Fuchsbandwurms klar zu sehen. Anja M. musste so schnell wie möglich operiert werden. Doch das war erst der Anfang der Behandlung: «Man ist nie ganz sicher, ob man alle Zysten entfernen konnte», sagt der behandelnde Infektiologe Gerhard Eich vom Stadtspital Waid und Triemli. «Falls nicht, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass der Fuchsbandwurm wieder wächst. Das kann tödliche Folgen haben.»
Deshalb nimmt Anja M. täglich Tabletten. Das Medikament heisst Zentel. Ihre Krankenkasse Atupri übernahm die Kosten mehrere Monate lang, doch dann bezahlte sie plötzlich nicht mehr. Anja M. muss 11'000 Franken pro Jahr selbst bezahlen. Das war schlimm für Anja M.: «Ich hätte die Energie gebraucht, um nach dem schweren Eingriff wieder auf die Beine zu kommen , und dann läuft man so in den Hammer.»
Die meisten Kassen würden bezahlen
Der Grund für die Ablehnung der Kostenübernahme: Zentel steht nicht auf der Spezialitätenliste, die festlegt, welche Medikamente die Kasse bezahlen muss. Dort ist gegen Fuchsbandwurm das Medikament Vermox zugelassen. Zentel mit dem Wirkstoff Albendazol wirke jedoch besser, sagt Gerhard Eich: «Sämtliche internationalen Richtlinien empfehlen Albendazol.» Würde man das schlecht vertragen, könne man immer noch Mebendazol – also das Medikament Vermox – nehmen.
«Kassensturz» fragt bei den neun grössten Kassen nach. Ergebnis: Keine lehnt die Kostenübernahme für Zentel kategorisch ab. Obwohl das Medikament nicht auf der Spezialitätenliste steht. Auch die Herstellerfirma Glaxo Smith Kline bestätigt, bisher hätten sie sich mit sämtlichen Kassen über eine Kostenbeteiligung für Zentel bei Fuchsbandwurm einigen können.
Der Vergleich zeigt, die Preisdifferenz zwischen den beiden Medikamenten ist nicht riesig: Pro Tag beträgt sie 4.88 Franken.
Gerichtsurteile geben Kasse recht
Atupri sagt, der Arzt hätte ein Gesuch für eine Kostenübernahme einreichen müssen und verweist auf ein Gerichtsurteil vom Verwaltungsgericht in Bern, welches besagt, die Krankenkasse müsse nicht bezahlen, da es keine vergleichende Studien zwischen den beiden Medikamenten gebe.
Infektiologe Gerhard Eich kritisiert das Urteil. Vergleichende Studien seien bei dieser geringen Anzahl von Fällen kaum machbar. «Im Moment gibt es in der Schweiz 50 Patienten, damit kann man keine entsprechenden Studienresultate erreichen. Es würde Jahrzehnte dauern, bis man genügend Patienten beisammen hat.» Das neuere Zentel habe viele Vorteile und es gelte, Rückfälle zu vermeiden. «Sie sind selten, aber tödlich.»
Auch Anja M. klagte gegen die Krankenkasse. Das Sozialversicherungsgericht Zürich gibt der Kasse Recht. Laut Urteil hat sich Atupri korrekt verhalten und muss die Kosten für das Medikament Zentel nicht übernehmen.
Immerhin: Nach dem Gerichtsurteil aus dem Kanton Bern hat Glaxo Smith Kline die Zulassung von Zentel bei Fuchsbandwurm beantragt. Der Bescheid der Heilmittelbehörde wird bis Ende 2021 erwartet. Danach liegt es beim Bundesamt für Gesundheit, das Medikament für die Indikation Fuchsbandwurm auf die Spezialitätenliste zu nehmen. Dann müssten sämtliche Kassen die Kosten übernehmen.