SRF News: Sie kämpfen gegen Keime, die im Spital übertragen werden. Also sind Sie so etwas wie der Hygienepolizist des Spitals!
Hugo Sax: Ja, unser interdisziplinäres Team hat eine Kontrollfunktion, aber auch die Aufgabe, Prozesse zu optimieren, um die Sicherheit der Patienten zu erhöhen. Wir versuchen herauszufinden, wo Keime übertragen werden oder welche multiresistent sind, um dann die entsprechenden Massnahmen einzuleiten. Wir kämpfen gegen die Keime, die im Spital übertragen werden und gegen die, die Patienten mitbringen. Unser Patient ist also sozusagen das ganze Krankenhaus.
Das heisst, Ihr Fokus liegt gar nicht allein auf den antibiotikaresistenten Erregern, die jetzt so gefürchtet sind?
Absolut. Die Antibiotikaresistenz ist eher noch mal ein zusätzliches Problem obendrauf. Keime, die nicht antibiotikaresistent sind, sind häufig noch aggressiver.
Wo besteht denn die grösste Infektionsgefahr für Patienten im Spital?
Besonders gefährdet sind sicher Patienten, die operiert werden oder einen Katheter bekommen.
Man sollte doch annehmen, im Operationssaal läuft alles besonders steril ab. Was geht da schief?
Jeder Patient, der operiert wird, erhält vorbeugend Antibiotika. Einer der wichtigsten Punkte ist, dass diese zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Dosierung gegeben werden – nicht zu früh, sonst sind sie schon wieder weg, wenn man beginnt zu operieren, und nicht zu spät, weil sie sonst noch nicht da sind, wenn die Operation beginnt. Das Timing ist sehr wichtig.
Das ist aber insofern nicht ganz einfach, weil man manchmal nicht weiss, ob eine Operation vorher früher fertig ist und es zu Verzögerungen kommen kann. Oder es geht vergessen, weil man unter Zeitdruck verschiedene Installationen anlegen und den Patienten vorbereiten muss.
Wir in der Schweiz gehen Wundinfektionen strenger nach als andere.
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Die Schweiz liegt im internationalen Mittelfeld, was die Häufigkeit von Wundinfektionen nach Operationen betrifft. Warum?
Es ist heikel, verschiedene Messsysteme miteinander zu vergleichen. Wir in der Schweiz rufen den Patienten an, nachdem er schon wieder daheim ist und fragen nach, ob er einen Infekt gehabt hat. Die Infektionen, die wir so aufspüren, machen 40 bis 50 Prozent aller auftretenden Infekte aus. Wir gehen dem also gründlicher nach als andere.
Im Spital arbeitet man unter Stress und ständig mit den Händen. Schafft man es da überhaupt, auch noch dauernd an die Händehygiene zu denken?
Das ist in der Tat eine komplexe Angelegenheit und erklärt auch, warum es meist erst funktioniert, wenn die entsprechenden Handlungen unbewusst ablaufen. Dazu haben wir ein paar Tricks. Einer ist beispielsweise, dass man den Handdesinfektionsspender an der richtigen Stelle anbringt, womit man dann automatisch an die Händedesinfektion erinnert wird. Ein anderer Trick ist, dass wir Sprüche auf die Spender aufbringen, die sich immer wieder ändern und die das Personal emotional ansprechen.
Wenn ich zu einem Patienten gehe und keine Handhygiene gemacht habe, lächelt mich der Patient trotzdem an und gibt mir die Hand.
Bekommen Sie nicht auch immer wieder zu hören, dass die ganze Panikmache etwas übertrieben ist?
Das ist das grosse Problem, das wir in diesem Gebiet haben: Die Krankheitserreger sind unsichtbar. Wenn ich zu einem Patienten gehe und die Händehygiene vergesse, lächelt mich der Patient trotzdem an und gibt mir die Hand. Dann kann es unter Umständen zu einer Übertragung eines gefährlichen Keims kommen, aber das ist emotional überhaupt nicht erlebbar. Die Infektion selbst tritt auch erst nach einiger Zeit zu Tage und die Zusammenhänge sind nicht mehr offensichtlich.
Es wird immer Infektionen im Spital geben. Frustriert Sie das?
Nein, das ist meine Herausforderung. Wir versuchen, Prozesse und Einrichtungen so zu verbessern, dass es einfacher wird, das Richtige zu tun. Dazu braucht es Psychologie und Design. Ich finde, ich habe einen der spannendsten Jobs, die es im Spital als Arzt gibt.
Das Gespräch führte Odette Frey, Bearbeitung Helwi Braunmiller